Die riesige Privatbibliothek des Mainzer Kardinals Karl Lehmann (1936-2018) war offenbar nicht ganz so groß wie gedacht. Das wurde jetzt - drei Jahre nach seinem Tod - bekannt.
"Die nachgelassene Bibliothek des früheren Mainzer Bischofs, Kardinal Karl Lehmann, umfasst insgesamt rund 40.000 Bände", teilte das Bistums Mainz am Montag auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) mit.
Karl Lehmann war rund 33 Jahre lang Mainzer Bischof
Kardinal Lehmann selbst hatte hingegen häufig davon gesprochen, dass seine Bibliothek rund 100.000 Bände umfasse. Nun hieß es, die Zahl 100.000 sei vor dem Rücktritt Lehmanns als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz im Februar 2008 einmal "bei einer Sichtung des Regalbestandes durch eine Versicherung ins Spiel gekommen".
Seitdem habe sich diese Zahl "verfestigt", so das Bistum. Karl Lehmann war rund 33 Jahre lang Mainzer Bischof und rund 21 Jahre lang Vorsitzender der Bischofskonferenz. Er starb am 11. März 2018 im Alter von 81 Jahren.
Unibibliothek übernimmt Teil von Lehmanns Privatbibliothek
Am vergangenen Mittwoch wurde bekanntgegeben, dass die Unibibliothek der Berliner Humboldt-Universität einen wesentlichen Teil von Lehmanns Privatbibliothek übernimmt. Aus der nachgelassenen Bibliothek gingen - per Schenkung - rund 12.000 Bände zu katholischer Dogmatik und Ethik sowie zur christlichen Gesellschaftslehre und Pastoraltheologie nach Berlin.
Der verbleibende Teil - nun also etwa zwei Drittel - von Lehmanns Bibliothek mit rund 40.000 Bänden soll im Sommer aus Lehmanns früherem Haus zunächst nach Ingelheim in das Pfarrheim von Sankt Paulus ausgelagert und dort katalogisiert werden.
Die private Bibliothek Lehmanns umfasste Bücher vor allem aus der Theologie und der Philosophie, aber auch aus Literatur und Kunst. Doch wie kam es zu der jahrelang kolportierten Zahl von 100.000 Bänden?
Die Lage im Hause Lehmann könnte etwas unübersichtlich gewesen sein: Nicht mehr nachzuvollziehen sei etwa, "ob bei der Schätzung für die Versicherung möglicherweise auch die Aktenregale mitgezählt worden sind", so Bistumssprecher Tobias Blum.
Zu bedenken sei auch, dass der damalige Platzmangel an vielen Stellen im Hause Lehmanns dazu geführt habe, "dass Bücher in doppelter Reihe standen oder gar noch zusätzlich auf dem Boden und an anderen Plätzen gestapelt waren".
Kein Katalog, da es eine private Bibliothek ist
Da es sich um eine private Bibliothek handelt, gab es auch nie einen Katalog, an dem sich die tatsächliche Zahl der Bücher in der Lehmann-Bibliothek hätte ablesen lassen. Über die Jahrzehnte sei der Bestand der Bibliothek natürlich auch "stets in Bewegung" gewesen.
Auch aus Platzgründen sei der Bestand an gedruckten Medien mit Zustimmung des Kardinals immer wieder "radikal entlastet" worden vor allem nach 2008, als Lehmann aus gesundheitlichen Gründen den Vorsitz der Bischofskonferenz abgegeben hatte. So mussten viele Bücher und Materialien aus und über andere Diözesen nicht mehr vorgehalten werden.
Hinzu kam das Internet: Frühere Sammlungen vieler Druckschriften wie Mitteilungsblätter und Jahrbücher wurden so überflüssig. "Bereinigt" wurde die Bibliothek auch von vielen Dubletten jener Bände, die Kardinal Lehmann zunächst selbst gekauft hatte und von denen er dann weitere Exemplare von den jeweiligen Autoren - beispielsweise befreundeten Theologen - geschenkt bekam.
Aussortiert über die Jahre wurden demnach auch große Mengen an Literatur, die nicht mehr aktuell war, wie etwa medizinische Bücher oder Reiseliteratur. Auch seien Bücher in überholten alten Auflagen abgegeben worden, ebenso wie Geschenk- und Bildbände, die nicht zum "wesentlichen Bestand" einer theologischen Bibliothek gehörten.
40.000 statt 100.000 Bücher
Die Differenz zwischen 100.000 und 40.000 Büchern ergebe sich "somit nicht nur aus einer einstmals möglicherweise ungenauen Schätzung für eine Versicherung".
Der Grund sei insbesondere, dass Kardinal Lehmann in seinem letzten Lebensjahrzehnt dafür gesorgt habe, dass seine Bibliothek "neu geordnet" und auf einen für die theologischen Fachgebiete und ihre Nachbarwissenschaften wesentlichen Bestand begrenzt worden sei.
Klar sei also, dass der Bestand insgesamt zwar erheblich größer gewesen sei als die zuletzt nachgelassenen 40.000 Bücher, sagte Blum. Eine Schätzung bleibe jedoch "höchst spekulativ".