Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki drückt zum Tod des emeritierten Papstes Benedikt XVI. seine tief empfundene Trauer aus: "Auch wenn uns der christliche Glaube Hoffnung zuspricht, dass wir im Tod die vollkommene Freude in der Gemeinschaft mit Gott erfahren dürfen, schmerzt mich der Abschied von diesem großen Menschen, Theologen, Bischof und Papst zutiefst."
Der verstorbene Papst Emeritus zeigte sich Zeit seines Lebens mit dem Erzbistum Köln verbunden.
Gleich seine erste offizielle Reise außerhalb Italiens führte Papst Benedikt XVI. nach Köln, knapp vier Monate nach seiner Amtseinführung am 24. April 2005. Noch von Johannes Paul II. geplant, kam statt des polnischen ein deutscher Papst zum Weltjugendtag. Dort flogen dem bereits 78-jährigen Mann die Herzen der Jugendlichen aus aller Welt zu. "Benedetto" war der Ruf, der die Auftritte des Papstes bei dem internationalen Großereignis begleitete.
Bei seiner Ankunft in Köln verwies Benedikt XVI. auf das Vorbild der Heiligen Drei Könige und ihre Pilgerschaft auf der Suche nach Wahrheit, Gerechtigkeit und Liebe, ein Weg, "dessen endgültiges Ziel nur durch die Begegnung mit Christus zu finden ist, eine Begegnung, die sich ohne den Glauben nicht verwirklichen kann." In seiner Predigt zum Abschluss des Weltjugendtages gab er den auf dem Marienfeld versammelten 1,1 Millionen Jugendlichen die Worte mit: "Wer Christus entdeckt hat, muss andere zu ihm führen. Eine große Freude kann man nicht für sich selbst behalten. Man muss sie weitergeben… – Helft den Menschen, den wirklichen Stern zu entdecken, der uns den Weg zeigt: Jesus Christus. Versuchen wir selber, ihn immer besser kennenzulernen, damit wir überzeugend auch andere zu ihm führen können."
Als Dogmatikprofessor in Bonn entdeckt er die Liebe zum Rhein
Auch seine Lebensgeschichte verbindet Papst Benedikt auf bemerkenswerte Weise mit dem Erzbistum Köln und seinen Erzbischöfen. Nach Priesterweihe und Promotion führte ihn seine Lehrtätigkeit als Professor für Dogmatik von 1959 bis 1963 an die Universität Bonn. Nach seiner Habilitation folgte Joseph Ratzinger 1959 dem Ruf der Fakultät auf den Lehrstuhl für Fundamentaltheologie. Später sagte er über diese Zeit: "Ich liebte das Rheinland, ich liebte meine Studenten und meine Arbeit an der Universität Bonn."
Auch bei den Studenten war der Professor sehr beliebt: Kein Hörsaal war groß genug, da auch Studierende anderer Fakultäten seine Vorlesungen hören wollten. Nach seinem Wechsel 1963 nach Münster schrieb Ratzinger 1998 in seinen Lebenserinnerungen: "Aber ich muss gestehen, dass mir das Heimweh nach Bonn, nach der Stadt am Strom, ihrer Heiterkeit und ihrer geistigen Dynamik geblieben ist." Er vermisste den Rhein: "Nachts hörte ich die Schiffe auf dem Rhein, der am Albertinum vorbeifließt. Der große Strom mit seiner internationalen Schifffahrt gab mir ein Gefühl der Offenheit und Weite, einer Berührung der Kulturen und der Nationen, die seit Jahrhunderten hier aufeinandertrafen und sich befruchteten."
Freundschaft mit den Kölner Erzbischöfen
Über die Stadt Köln sagte Benedikt XVI.: "Hier spürt man die große Geschichte, und der Strom gibt Weltoffenheit. Es ist ein Ort der Begegnung der Kulturen. Ich habe immer den Witz, den Humor, die Fröhlichkeit und die Intelligenz der Kölner geliebt. Aber ebenso muss ich sagen, die Katholizität, die den Kölnern tief im Blut steckt, denn hier gibt es seit ungefähr zweitausend Jahren Christen, und so hat sich das Katholische tief in den Charakter der Kölner eingetragen im Sinne einer fröhlichen Gläubigkeit."
Von 1962 bis 1965 nahm Professor Joseph Ratzinger als theologischer Berater von Josef Kardinal Frings am Zweiten Vatikanischen Konzil teil. Auch mit Joseph Kardinal Höffner und Joachim Kardinal Meisner verband ihn eine langjährige und tiefe Freundschaft. Am 18. Februar 2012 kreierte er Rainer Maria Woelki, damals Erzbischof von Berlin, zum Kardinal und begleitete seine Amtszeit sowohl in Berlin wie in Köln väterlich. In seiner Ansprache zur Kardinalsernennung des Erzbischofs ermutigte er die neuen Kardinäle zu treuem Festhalten an ihrer Aufgabe für die Weltkirche: "Eure Sendung in der Kirche und in der Welt erfülle sich immer und einzig ‘in Christus‘; möge sie seiner Logik und nicht der der Welt entsprechen, erleuchtet sein vom Glauben und beseelt von der Liebe, die vom ruhmreichen Kreuz des Herrn her zu uns kommt."
"Gott ist die Liebe" – der rote Faden seines Pontifikats
"Jeder ist gewollt, jeder ist geliebt, jeder ist gebraucht." Diese Worte Joseph Ratzingers zu seiner Amtseinführung als Papst Benedikt XVI. ziehen sich wie ein roter Faden durch das Pontifikat des bayerischen Papstes. "Deus caritas est": Gott ist die Liebe und sehnt sich danach, jeden einzelnen Menschen mit seiner Liebe zu umfangen und zu begleiten. Alle Menschen zu Christus führen und zu dem Glück, sich als Gottes geliebtes Kind zu wissen, das war das Herzensanliegen Benedikts XVI. Wie in seiner Sorge für die Weltkirche war seine Amtszeit auch geprägt von intensivem Dialog mit Nicht-Christen, Muslimen, anderen christlichen Konfessionen und besonders den Juden: So besuchte er während des Weltjugendtags 2005 in Köln am 19. August auch die Kölner Synagoge. Paul Spiegel, der damalige Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, nannte den Besuch ein "historisches Ereignis, an das sich noch spätere Generationen erinnern werden".
Mit einem Trauergebet gedachte Benedikt XVI. der über 11.000 Opfer des Holocaust unter den Kölner Juden. Dem Anderen in Respekt begegnen, das Gute in ihm und seinem Glauben anerkennen und würdigen, eine gemeinsame Basis zu finden, um sich gemeinsam für die Würde aller Menschen einzusetzen, hier führte er die Bemühungen seines Vorgängers, Papst Johannes Pauls II. weiter.
Der Rücktritt als Papst war ein historischer Schritt
Als Papst Benedikt am 11. Februar 2013 unerwartet von seinem Amt zurücktritt, steht die katholische Welt still. Er selbst erklärt seinen Schritt unter Hinweis auf seine schwindenden Kräfte, welche ihm nicht mehr die Möglichkeit gäben, seinen Dienst so zu erfüllen, wie es sein Amt fordere.
In den folgenden fast zehn Jahren lebte Benedikt XVI. in relativer Abgeschiedenheit. Zu unterschiedlichen Gelegenheiten blickte die Welt dennoch immer wieder auf den emeritierten Papst. Gemeinsame herzliche Bilder und Begegnungen mit seinem Nachfolger Papst Franziskus zeigten über die Jahre deren Verbundenheit. Zuletzt rief Franziskus zu Gebeten für den Erkrankten auf. Regelmäßig empfing Benedikt auch weiterhin Besucher aus aller Welt. Mitunter meldete er sich zudem mit vielbeachteten Briefen zu Wort.
Benedikt entschuldigt sich bei Betroffenen von sexualisierter Gewalt
Mit der Veröffentlichung des Missbrauchsgutachtens des Erzbistums München und Freising rückte der emeritierte Papst zuletzt in 2022 wieder massiv in die Öffentlichkeit. Es wurden Vorwürfe erhoben, dass Benedikt in seiner Zeit als Erzbischof von München und Freising nicht ausreichend gegen sexuellen Missbrauch in seiner Diözese vorgegangen sei. Vielbeachtet wurde in diesem Zusammenhang seine lange Stellungnahme vom 8. Februar 2022 in der er seinen "Schmerz über die Vergehen und Fehler" ausdrückte, gleichzeitig aber auch Vorwürfe zurückwies.
Mit Blick auf die Betroffenen von sexualisierter Gewalt schrieb er: "[ich kann] nur noch einmal meine tiefe Scham, meinen großen Schmerz und meine aufrichtige Bitte um Entschuldigung gegenüber allen Opfern sexuellen Missbrauchs zum Ausdruck bringen." In der Bewertung seines Wirkens vertraute er vollends auf Gott: "Ich werde ja nun bald vor dem endgültigen Richter meines Lebens stehen. Auch wenn ich beim Rückblick auf mein langes Leben Grund zum Erschrecken und zur Angst habe, so bin ich doch frohen Mutes, weil ich fest darauf vertraue, dass der Herr nicht nur der gerechte Richter ist, sondern zugleich der Freund und Bruder, der mein Ungenügen schon selbst durchlitten hat und so als Richter zugleich mein Anwalt (Paraklet) ist."