Der Theologe Benedikt Kern schilderte auf einer Tagung am Samstag in Dortmund auf einer Veranstaltung des Instituts Kirche und Gesellschaft in der Evangelischen Akademie Villigst, dass dem Netzwerk zwar nicht alle Fälle von Kirchenasyl gemeldet würden. Denn viele Gemeinden hofften, ohne öffentliche Aufmerksamkeit, mehr für die Menschen im Kirchenasyl erreichen zu können. Doch viele Gemeinden scheuten den Einsatz, Menschen für die Zeit der Klärung eines strittigen Asylverfahrens Schutz zu gewähren.
Um mehr Gemeinden zu ermuntern, Kirchenasyl zu gewähren, solle aus Sicht des Netzwerks die Öffentlichkeitsarbeit verstärkt werden, sagte der wissenschaftliche Mitarbeiter des Instituts für Theologie und Politik an der Universität Münster. Auch anderen Formen des Asyls durch Vereine oder Bürgerinnen und Bürger seien vorstellbar, hieß es.
Überwiegend Dublin-Fälle im Kirchenasyl
Die überwiegende Zahl der Fälle in einem Kirchenasyl seien sogenannte Dublin-Fälle, in denen die Betroffenen in das EU-Land zurückgeführt werden müssen, in dem ihre Erstregistrierung als Asylbewerber stattgefunden hat.
Pfarrer Helge Homann, Beauftragter für Zuwanderungsarbeit in der Evangelischen Kirche von Westfalen, kritisierte auf der Tagung die Grenzpolitik der Europäischen Union an ihren Außengrenzen als "inhuman". Bei steigenden Flüchtlingszahlen sei es schwer auszuhalten, so wenig helfen zu können.
Kritik an brutaler Grenzpolitik der EU
Den Vorwurf der "Brutalisierung" beim Schutz der EU-Außengrenzen äußerte die katholische Theologin Julia Lis. Im Jahr 2022 seien im Mittelmeer 2.439 Menschen ums Leben gekommen oder würden als vermisst gelten, sagte sie. Besonders brutal werde gegen Schutzsuchende an der spanischen Enklave Melilla in Nordafrika vorgegangen, kritisierte die Mitarbeiterin am Institut für Theologie und Politik in Münster.
Auch an der Grenze zwischen Belarus und Polen seien Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung, wenn Menschen von den belarussischen Behörden zur polnischen Grenze transportiert, zum Grenzübertritt in die EU gezwungen würden, dort aber keinen Zugang zu Asylverfahren erhielten.
Viele Schutzsuchende abgewiesen
Noch im vergangenen Montag hatte die Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft "Asyl in der Kirche" in Berlin von einem Anstieg der Zahl der Flüchtlinge im Kirchenasyl berichtet und von 511 Fällen mit 786 Betroffenen bundesweit gesprochen. Im November 2022 waren es demnach bundesweit noch 314 Fälle mit 508 Betroffenen.
Dieser Anstieg habe an zeitlich verzögerten Nachmeldungen aus Kirchengemeinden gelegen, hieß es. Allerdings gebe es eine erhöhte Nachfrage, viele Schutzsuchende hätten abgewiesen werden müssen.