Der Wert der Religionsfreiheit sei ein großes Plus, so der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick, der die Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz leitet. "Die Unfreiheit in Religionsfragen hemmt eine Gesellschaft in guter Entwicklung und gutem Fortschritt", sagte er beim 12. Hohenschönhausen-Forum der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung und der Stiftung Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen zum Thema "Religionen in Diktatur und liberalem Rechtsstaat".
Schick beklagte eine grundsätzliche Verrohung der Gesellschaft. "Wir brauchen eine Neubesinnung auf Respekt und gegenseitige Anerkennung". Das gelte für alle drei Weltreligionen. Deutschland müsse sich auf internationaler Ebene dafür einsetzen, dass alle Staaten ihren Bürgern das Recht auf Religionsfreiheit zuerkennen.
Eine Religion verlassen oder konvertieren
Bei einer Podiumsdiskussion betonte der Erzbischof, das Recht auf Religionsfreiheit beinhalte auch, dass man eine Religion verlassen oder zu einer anderen konvertieren könne. "Menschen, die aus der Kirche austreten, treten deswegen aber noch nicht aus der Religion aus", sagte Schick. "Da sollte man vorsichtig sein." Es gebe in allen westlichen Gesellschaften derzeit eine große Institutionenkritik, die nicht nur die Kirchen, sondern auch Parteien oder Gewerkschaften betreffe.
"Ich kenne sehr viele Menschen, die aus der Kirche aus verschiedenen Gründen austreten, etwa weil sie die Kirchensteuer nicht zahlen wollen oder weil die Kirche viel Mist gemacht hat - aber sie sagen weiter: Ich bin Christ", so der Erzbischof. Allerdings brauche es die institutionalisierten Kirchen auch weiterhin: Sie achteten darauf, "dass die Religion nicht verwildert".
Akzeptanz im Umfeld
Die Geschäftsführerin der Deutschlandstiftung Integration, Gonca Türkeli-Dehnert, sprach sich dafür aus, für das Recht auf Religionswechsel zu werben. Vor allem in der muslimischen Gesellschaft in Deutschland sei man oft noch nicht so weit, dass man es akzeptiere, wenn Menschen ihre Religion wechselten. "Wenn in Deutschland ein christlicher Jugendlicher Muslim werden will, sind die Eltern aber oft auch nicht sehr begeistert."
Türkeli-Dehnert betonte, dass nur rund 20 Prozent der Muslime in Deutschland durch die Islamverbände in Deutschland repräsentiert würden. "Ich selbst fühle mich durch keinen Islamverband vertreten", sagte sie. Es sei aber ein Problem, dass die 80 Prozent der Muslime, die keiner der sieben Mitgliedsorganisationen des Koordinationsrats der Muslime (KRM) angehörten, kaum eine Möglichkeit hätten, sich in gesellschaftlichen Diskussionen zu äußern.
Rabbiner Homolka: Deprimiertere Stimmung in jüdischen Gemeinden
Nach dem Wahlerfolg der AfD in Thüringen und dem rechtsterroristischen Angriff auf die Synagoge von Halle ist die Stimmung in Deutschlands jüdischen Gemeinden nach Beobachtung von Rabbiner Walter Homolka deprimierter geworden. "Die Vorkommnisse von Halle sind als Zäsur zu werten", sagte der Geschäftsführende Direktor der School of Jewish Theology der Universtät Potsdam.
In den vergangenen 20 Jahren habe sich in Deutschland "eine beeindruckende Renaissance des jüdischen Lebens ergeben: Wir sind immer davon ausgegangen, das Glas ist halbvoll", so Homolka.
Aus Sicht des Rabbiners wird sich in den nächsten Monaten zeigen, ob sich junge Juden weiter vorstellen könnten, in Deutschland zu leben - oder ob sie in Zeiten des Fachkräftemangels ihre Zukunft als gut ausgebildete Menschen anderswo suchten.