Franz von Assisi ist einer der populärsten Heiligen der katholischen Kirche; er wird auch über die Konfessionsgrenzen verehrt. Er führte ein Leben in Armut, wünschte den Menschen den Frieden, sprach mit den Tieren und mahnte zur Bewahrung der Schöpfung. Dieses Vorbild bewegte Jorge Mario Bergoglio, als er im Konklave 2013 zum Papst gewählt wurde, den Namen Franziskus anzunehmen.
Der evangelische Kirchenhistoriker Volker Leppin hat sich in seinem neuen Buch auf die Suche nach Franz von Assisi begeben. Und was hat er dabei festgestellt? Offensichtlich war Franziskus zuweilen ganz anders, als es seine frühen Biografen wie Thomas von Celano oder der spätere Ordensgeneral Bonaventura überliefert haben. Sie wollten gar nicht das Leben des Heiligen schildern, wie es war, sondern wie es sein sollte und dem Orden dienlich war.
Sohn aus gutem Haus
1181 oder 1182 in Assisi als Sohn aus gutem Haus geboren, übernahm Franziskus zunächst die Normen seiner Eltern. Leppin schildert Franziskus' Jugend als eine große Diskrepanzerfahrung: Der Vater von Franziskus war ein Repräsentant jener Aufsteigerschicht der Kaufleute, die ihr Leben dem Geldverdienen verschrieben. Diese Erfolgsgeschichte erschütterte aber die hergebrachte soziale Ordnung in Assisi.
In dem Generationenkonflikt, den Vater und Sohn mit großer Härte austrugen, ging es eben um Geld und Besitz, um Dinge, die der junge Franziskus nach einer längeren Zeit der Bekehrung als nicht mehr sinnstiftend empfand. Das alles gipfelte spektakulär in einem öffentlich ausgetragenen Bruch: Indem Franziskus seinem Vater die Kleider vor die Füße warf, erteilte er dessen Leben und Werten eine totale Absage und verließ die bürgerliche Gesellschaft.
Aus dem Bruch entwickelte sich ein Aufbruch: Als charismatischer Bußprediger mit einer klaren Ausrichtung auf die Nachfolge Christi sammelte Franziskus schon bald eine Schar von Gefährten um sich. Die Menschen begriffen ihn schon bald als Wundertäter - und als solcher wird er in den frühen Biographien dargestellt: "Der Geist Gottes lag auf ihm und gab ihm die Macht der Taten und die Vollmacht der Worte."
Kein Kirchenrebell
Franz, der sein Leben an der Seite der Ausgestoßenen verbrachte, sah sich nicht außerhalb der Kirche, sondern mitten in ihr, auch wenn die Kirche reich war und ihre Repräsentanten nicht immer höchsten Anforderungen genügten. Für den Theologen Leppin ist es modernes Wunschdenken, in dem umbrischen Heiligen einen Kirchenkritiker zu sehen, denn Franziskus war kirchenkonform und lebte im Gehorsam zu seiner Kirche. Das war der Schlüssel zum Erfolg, deswegen wurde über dem Grab des Heiligen in Assisi eine große Wallfahrtskirche gebaut, während andere Wanderprediger als Ketzer auf dem Scheiterhaufen endeten.
Nicht nur, dass er kein Kirchenrebell war: Seine Biographie weist auch verstörende, irritierende Details auf. Als Franziskus 1219 in den Nahen Osten aufbrach, wurde er, der Friedensstifter, Teil der Kreuzzugsbewegung. Sein Ziel war die Bekehrung der Muslime, nicht ein ökumenischer Dialog der Religionen. Dabei ging er mit einem an Selbstverachtung grenzenden Mut vor, für Gott bis in die äußerste Gefahr zu gehen und das Martyrium nicht zu scheuen, so Leppin.
Nach seiner Rückkehr aus Ägypten legte er die Ordensleitung in andere Hände, weil er krank war und überfordert. In seinem Testament forderte er noch einmal zu Gehorsam gegenüber der Kirche auf, bevor er am 3. Oktober 1226 starb, nackt auf einem Büßergewand liegend, mit Asche bestreut als Zeichen dafür, dass er selbst bald zu Asche und Staub werden würde.
Bereits zwei Jahre nach seinem Tod wurde Franziskus heilig gesprochen. Bis heute übt er eine ungebrochene Faszination aus, so dass sein Leben immer wieder neu interpretiert wurde - bis hin zum Ökologen und Friedensstifter.