domradio.de: Wie fühlt es sich an, Chefin der DPSG zu sein? Oder haben Sie damit gerechnet, dass das irgendwann mal kommt?
Anna Sauer (Bundesvorsitzende der Dt. Pfadfinderschaft Sankt Georg, DPSG): Ich glaube, mit sowas kann man nicht rechnen, dass man mal irgendwann der DPSG als Bundesvorsitzende vorstehen darf. Deshalb ist das noch mit ganz viel Bauchkribbeln und einer gesunden Aufregung verbunden.
domradio.de: Auf der Vollversammlung der DPSG wurde ein Antrag verabschiedet, in dem es heißt, dass Pfadfinder auch politisch sind. Das heißt, Pfadfinder mischen sich in die Politik ein. Wie wird das mit Blick auf die Bundestagswahl aussehen?
Sauer: Da geht unser politisches Denken weit über die Parteipolitik hinaus. Wir sind allein aus unserem Handeln und aus unserem Verständnis als Pfadfinderinnen und Pfadfinder politisch. Für uns geht es dabei um Themen wie Kindermitbestimmung, Fremdenfreundlichkeit, ein offenes Europa. So denken wir in der DPSG Politik. Für uns spielen ja auch internationale Begegnungen eine ganz wichtige Rolle: Die Auseinandersetzung mit verschiedenen Nationalitäten und Kulturen. Von daher ist unser Leben als Pfadfinderinnen und Pfadfinder schon politisch. Und wir beziehen uns da auf eines unserer Pfadfinder-Gesetze: Ich entwickele eine eigene Meinung und stehe für diese ein. So verstehen wir Politik.
domradio.de: Sie haben ja auch viele Erstwähler in Ihren Reihen. Da sagen Sie aber nicht: Die Afd wird aber nicht gewählt?
Sauer: Da haben wir im letzten Jahr einen spannenden Antrag verabschiedet: "Wir sind bunt gegen die Drachen unserer Zeit". In dem Antrag haben wir auch aktiv Position in Bezug auf die AfD eingenommen. Und in unserem aktuellen Antrag bündeln wir, was wir als DPSG von der Politik fordern. Gerade in Bezug auf das Wahljahr wollen wir Leitern und Erstwählern eine Handreichung geben, wenn sie vor Ort mit Politikern ins Gespräch kommen. Unsere Leute sollen einfach wissen, dass sie unseren Beschluss nehmen können und er ihnen helfen kann, zu argumentieren.
domradio.de: Sie arbeiten auch beim BDKJ, also beim Bund der Deutschen Katholischen Jugend. Kürzlich hat der für den BDKJ zuständige Bischof Stefan Oster der Organisation vorgeworfen, sie würde nur für ein Evangelium light stehen, also die klare katholische Botschaft verwässern. Wie stehen Sie als neue Chefin der Pfadfinder zu diesem Konflikt?
Sauer: Da stehe ich noch genauso dazu wie vor meiner Wahl. Das hat uns sehr betroffen gemacht. In unserem Selbstverständnis, wie wir Glaube leben, wie wir Spiritualität in unseren Verbänden leben, gab es da eine große Betroffenheit. Das war auch auf der Bundesversammlung der Pfadfinder ein großes Thema. Da ist es uns wichtig, Bischof Oster einzuladen, uns kennenzulernen und zu erleben, wie wir als Pfadfinder Glaube leben. Das machen wir ganz aktiv und auf vielen Ebenen. Da bin ich gespannt, wie wir das noch besser transportieren können, damit nicht der Eindruck entsteht, wir seien "nur" Evangelium light.
domradio.de: Es geht ja bei den Pfadfindern auch immer darum, Nachwuchs zu gewinnen. Wie können Sie neue Mitglieder bekommen, haben Sie da schon eine Idee?
Sauer: Ja, zu einen haben wir auf der Bundesversammlung einen Antrag verabschiedet, bei dem es darum geht, dass Pfadfinden bei der DPSG jetzt schon ab dem vierten Lebensjahr möglich ist - in einer freiwilligen Vorgruppe. Und bei den Leitern ist uns im Verband die Ausbildung ganz wichtig. Ich sehe da auch als Bundesvorsitzende ganz klar meine Rolle, Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass Zeit für Ehrenamt ist, damit die jungen Menschen vor Ort in ihren Stämmen gut arbeiten können.
domradio.de: Wird es denn schwerer Jugendliche dafür zu begeistern, das Handy mal wegzulegen und ein Zelt aufzubauen?
Sauer: Das ist gar nicht so schwer. Wir sind so vielfältig. Wir legen das Handy ja auch nicht komplett weg. Unsere Vernetzung findet auch ganz viel über digitale Medien statt. Alle vier Jahre gibt es ja das Weltpfadfindertreffen irgendwo auf der Welt. Aber es gibt auch ein Weltpfadfindertreffen, bei dem wir mit digitalen Medien in Kontakt treten. Wir leben also nicht hinter dem Berg was das angeht.
Das Interview führte Heike Sicconi.