"Es wird nie genügend Übersetzungen geben, weil keine Übersetzung wirklich genügt", begründet Dr. Gunther Fleischer, Leiter der Erzbischöflichen Bibel- und Liturgieschule in Köln, die große Vielfalt an deutschen Übersetzungen der Heiligen Schrift. Denn die Übertragung eines Textes von einer in die andere Sprache sei immer auch ein Auslegungs- und Interpretationsprozess.
Texte in sich – vor allem die der Bibel – seien vieldeutig, eine Übersetzung aber müsse eindeutig sein. "Diese Spannung kann ich nur auflösen, indem ich mehrere Übersetzungen nebeneinander lege oder immer wieder einen neuen Versuch mache."
Einheitliche Übersetzung für Gottesdienst und Schule
Die Einheitsübersetzung entstand mit der Erneuerung der Liturgie nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil, weiß Prof. Dr. Alexander Saberschinsky, Liturgiereferent des Erzbistums Köln. "Ein wichtiger Punkt ist, dass die Lesungen nun auch in der Landessprache vorgetragen werden. Dafür braucht man eine liturgiefähige Übersetzung." Ziel war es, eine einheitliche Übersetzung der Bibel sowohl im Religionsunterricht als auch im Gottesdienst zu verwenden.
Ursprünglich war die Einheitsübersetzung auch ein ökumenisches Projekt. Die EKD ist jedoch später wieder zur revidierten Luther-Übersetzung zurückgekehrt, die fast zeitgleich mit der revidierten Einheitsübersetzung ebenfalls in einer neuen Version publiziert wurde.
Zwei Jahre, nachdem die Einheitsübersetzung einer behutsamen Revision unterzogen wurde, hält sie nun auch Einzug in die Gottesdienste. Am Ersten Adventssonntag werden zu Beginn des neuen Lesejahres erstmals in den Gemeinden, die sich das neue Lektionar angeschafft haben, in der Heiligen Messe die Schriftlesungen in der neuen Fassung vorgetragen.
Nach und nach werden dann die Bücher ausgetauscht, bis dann ganz am Schluss die Lektionare für die Werktage die Umstellung abschließen. Bis es soweit ist, werden sicherlich fünf bis sechs Jahre vergehen, so Alexander Saberschinsky. Aber bereits mit dem Erscheinen des letzten Sonntagslektionars, voraussichtlich 2020, gelten die neuen Bücher gegenüber den alten verbindlich und die Übergangsphase gilt als beendet.
Optisch ansprechender gestaltet
Viele Umstellungen wird es mit den neuen Texten nicht geben, weshalb auch Lektoren und Geistliche beim Vortrag der Schrifttexte genauso acht- und sorgsam sein sollten wie bisher. Fleischer und Saberschinsky erhoffen sich aber einen neuen Motivationsschub in den Gemeinden, sich bewusst zu werden, was denn die Texte der Heiligen Schrift für eine Bedeutung in der Liturgie haben und wie damit umzugehen ist.
"Inwieweit ist das, was wir lesen, wirklich Wort des lebendigen Gottes?" fragt Bibelwissenschaftler Fleischer. "Diese Frage lässt sich schon einmal ganz anders thematisieren, wenn eine neue Übersetzung da ist oder wenn man auf einmal dieses sehr kostbar aufgemachte Lektionar wirklich in den Händen halten wird."
Tatsächlich werden die neuen Bücher optisch etwas kostbarer gestaltet sein als die bisherigen. "Es ist viel wertiger. Es ist ein Stoffeinband. Es ist goldfarben. Es ist also schon ein kleiner Hingucker geworden, das Buch", ergänzt Liturgiereferent Saberschinsky. Dieses optische Signal soll eine Einladung sein, noch einmal genauer auf die Bedeutung der Heiligen Schrift zu schauen. Der Umgang mit dem Lektionar, dem Äußeren, könne ein Hinweis darauf sein.
Das vollständige Gespräch mit Dr. Fleischer und Prof. Dr. Saberschinsky lief am vergangenen Sonntag im DOMRADIO-Kopfhörer und ist zum Nachhören auch als Podcast verfügbar.