Sie soll auch "sexy für Gesunde" sein. Seit diesem Montag ist die elektronische Gesundheitsakte "Vivy" auf dem Markt. Millionen Krankenversicherte sollen über die kostenlose Smartphone-App ihre Gesundheitsdaten verwalten können.
Dahinter stehen zum Start 13 gesetzliche und zwei private Krankenversicherungen mit 13,5 Millionen Versicherten, darunter die DAK, die Allianz Krankenversicherung, die Gothaer und die Barmenia. Weitere Versicherungen wollen mitmachen - 25 Millionen Versicherte sollen erreicht werden. Versicherten, deren Krankenkasse nicht dabei ist, steht "Vivy" gegen einen monatlichen Kostenbeitrag von 4,90 Euro zur Verfügung.
Nutzung freiwillig
Die Nutzung ist freiwillig: Versicherte ab 18 Jahren können künftig Befunde, Notfalldaten, Laborwerte und Röntgenbilder auf der App speichern und ihrem Arzt zur Verfügung stellen. Auch soll die Anwendung Mutterpass oder Impfpass speichern und an Impftermine und Vorsorgeuntersuchungen erinnern. Wer mehrere Medikamente nehmen muss, kann den Code von der Verpackung abscannen und einspeichern. Die App soll dann vor möglichen Wechselwirkungen warnen.
Zusätzlich ist das Programm als "Gesundheitsbegleiter" angelegt: Daten wie die Schlafqualität, die Zahl der Schritte, Gewicht und Lebensstil, die vom Patienten digital selbst erhoben werden, können dort dokumentiert werden.
Damit kommt der Markt für die elektronischen Gesundheitsakten in Deutschland in Bewegung; die Digitalisierung des Gesundheitswesens schreitet voran. Bemerkenswert ist, dass bei "Vivy" private und gesetzliche Kassen zusammenarbeiten. Die Konkurrenz zieht nach: Ende April hatte die Techniker Krankenkasse (TK) mit "TK-Safe" ihre eigene elektronische Gesundheitsakte präsentiert, die derzeit getestet wird.
Auch der AOK-Bundesverband erprobt eine entsprechende App als Pilotprojekt in einzelnen Bundesländern. Die Barmer, mit 9,3 Millionen Versicherten eine der größten Kassen, hat bislang noch keine eigenen Pläne angekündigt. Gesundheitsexperten betonen, dass die unterschiedlichen Systeme kompatibel sein müssen, damit Versicherte bei einem Kassenwechsel ihre Daten mitnehmen können.
Vieles einfacher im Alltag?
"'Vivy' wird im Praxisalltag vieles einfacher machen, Doppeluntersuchungen vermeiden helfen und mehr Transparenz für Behandler und Patienten schaffen", warb der Vorstandschef der beteiligten Kasse DAK-Gesundheit, Andreas Storm, am Montag für das neue Angebot.
Mehr als zwei Drittel der Bundesbürger - 69 Prozent - wüssten laut der Forsa-Erhebung nicht, wann ihr nächster Impftermin ist. 43 Prozent kennen die für sie empfohlenen Vorsorgeuntersuchungen nicht. Und jeder vierte Befragte hat bereits Mehrfachuntersuchungen erlebt, weil Ergebnisse aus anderen Praxen und Kliniken nicht vorlagen.
Auch für Ärzte und Krankenhäuser soll die Akte zu besserer Kommunikation beitragen. Die Daten, die ein Arzt seinem Patienten zur Verfügung stellt, sollen dabei nicht veränderbar sein, damit unverfälscht gespeichert werden und in Originaldatengröße erhalten bleiben.
Datensicherheit groß geschrieben
Großes Gewicht legen Entwickler und Kassen auf die Datensicherheit: Nur die Nutzer entschieden darüber, wie die Daten verwendet würden, heißt es. Die Versicherer, der beteiligte IT-Dienstleister Bitmarck und die Vivy GmbH hätten keinen Zugriff darauf.
Den Angaben zufolge liegen die Daten auf einem Server in Frankfurt am Main; damit gälten europäische Datenschutzgesetze. Mit einer mehrstufigen Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, bei der nur der Versicherte den Schlüssel hat, sei die App besonders gesichert.
Völlig offen ist zurzeit noch, wie die elektronische Gesundheitsakte der Krankenkassen mit der seit Jahren vom Gesundheitsministerium vorangetriebenen Einführung einer elektronischen Patientenakte zusammengefügt werden. Während die Gesundheitsakte vom Patienten her gedacht ist, werden in der elektronischen Patientenakte alle administrativen und medizinischen Daten des Patienten durch den Arzt und das Krankenhaus festgehalten.
Um einen Austausch zu ermöglichen, müssen Arztpraxen, Krankenhäuser und andere Gesundheitseinrichtungen mit entsprechender Technik ausgestattet und sichere Internetverbindungen eingerichtet werden. Der Milliardenschwere Ausbau dieser Telematik-Infrastruktur hat sich immer wieder verzögert.