DOMRADIO.DE: Wir erleben zurzeit eine Welle von Kirchenaustritten. Treten auch Eltern von Kommunionkindern aus der Kirche aus?
Peter Otten (Pastoralreferent der katholischen Pfarrgemeinde St. Agnes, Köln): Ja, so einen Fall hatten wir in diesem Jahr. Vor drei Wochen habe ich noch mit einer Mutter gesprochen, die ihr Stiefkind bei uns in der Erstkommunionvorbereitung hat. Sie selbst ist fest entschlossen, im Juni aus der Kirche auszutreten. Sie hat mir das begründet. Ich finde, die Gründe sind nachvollziehbar. Sie ist aber hin und hergerissen. Sie hat viel Unsinn mit der Kirche erlebt, der sie traurig macht. Bei uns in der Agnes-Pfarrei erlebt sie das Gegenteil. Das will ich mal ganz unbescheiden sagen. Daher kommt diese Hin- und Hergerissenheit.
Ich sage den Menschen, dass sie das machen sollen, wo ihr Herz sie hinzieht. Wenn erstmal eine Distanzierung nötig und sinnvoll ist, dann soll man das doch bitte tun. Ich erlebe da alles Mögliche.
Zum Beispiel haben wir auch ein Kind dabei, dessen Eltern beide nicht in der Kirche sind und sich überlegt haben, dass es gut wäre, wenn das Kind getauft wird und zur Erstkommunion geht. Das gibt es auch. Ich habe bisher nicht mit den Eltern tiefer über ihre Beweggründe gesprochen, aber ich freue mich, dass es so ist und die Welt bunt und verschieden ist. Die Eltern haben zu Beginn der Vorbereitung von vielen Herausforderungen gesprochen. Ich bin dankbar für diese Herausforderungen, weil das die Arbeit interessant und spannend macht.
DOMRADIO.DE: Nicht nur die Welt ist bunt, die Familien auch. Das traditionelle Familienbild aus Vater-Mutter-Kind ist nicht mehr die alleinige Norm. Es gibt immer mehr Patchwork-Familien. Müssen Sie da auch Meinungsverschiedenheiten in Sachen Religion schlichten?
Otten: Wir hatten schon mal den Fall mit einem ungetauften Kind, dessen Eltern getrennt lebten und es unterschiedliche Ansichten zur Kommunion gab. Kommunion bedeutet eben nicht nur Schönwetter-Glaube, sondern auch in der Krise getragen zu werden. Dieser Konflikt war schwierig. Aber wenn man nach der Taufe zusammen auch noch zur Kommunion geht, wie viel mehr an Vorbereitung will man denn noch?
Bei dem Sakrament der Ehe, bei der Hochzeit heißt es: "In guten und bösen Tagen, in Gesundheit und Krankheit" Ich finde, dieser Anspruch steckt doch in jedem Sakrament drin. Daher bin ich sogar dankbar für die Erfahrung, dass es nicht so glatt gelaufen ist. Erst in solchen Momenten zeigt sich, ob der Glaube wirklich trägt oder ob alles nur Gerede ist.
DOMRADIO.DE: Wie wichtig ist denn der Anteil der Eltern an der Vorbereitung?
Otten: Sehr wichtig. Bei der Kommunionvorbereitung spreche ich von drei Säulen. Eine der Säulen sind ganz klar die Eltern. Den ersten Informationsabend zur Kommunionsvorbereitung mache ich immer in der St. Agnes Kirche selbst, nicht in irgendeinem anderen Raum, sondern immer in der Kirche.
Von den vielen Dingen, die ich den Eltern dann mitgebe, sind mir zwei ganz wichtig. Erstens: Es gibt bei der Kommunionsvorbereitung keinen Druck. Erstkommunion soll Menschen in die Freiheit führen, soll Freiheitserfahrungen ermöglichen. Zweitens: Die Eltern sind selbst eine Säule der Erstkommunionvorbereitung. Das, was die Kinder erleben, sollte zu Hause bei den Eltern eine Resonanz finden, wie auch immer das aussieht.
Zum Beispiel, wenn das Kind Fragen hat. Selbst wenn sie auf die Fragen keine Antwort haben, lassen sie das Kind seine Fragen stellen. Die Kinder sollen das Gefühl haben, das die Vorbereitung von den Eltern mitgetragen und miterlebt wird. Ganz egal, ob die Eltern eher distanziert oder nicht so distanziert zur Kirche sind. Ich erlebe darauf immer eine große Dankbarkeit.
Wir haben schon längst eine Vorbereitung vom Typ einer Familienkatechese. Für die rund 80 Kommunionkinder haben wir 26 Katechetinnen und Katecheten, die sich alle aus dem Kreis der Eltern speisen. Bei uns gibt es also eine 1:3 Betreuung. Jedes dritte Elternteil ist bei uns Katechetin bzw. Katechet. Dahin geht der Trend. Dafür muss man von Anfang an mit den Eltern zusammen überlegen, was gebraucht und was gewollt wird. Daran können wir zusammen einen Weg entwickeln, der allen gut tut.
DOMRADIO.DE: Bei der Kommunion geht es auch um die Aufnahme in die Gemeinschaft der Gläubigen. Das betrifft dann nicht nur die Kinder, sondern auch die Eltern, oder?
Otten: Absolut. Kommunionfeiern sollen großartige Feiern werden. Ich freue mich schon auf die italienischen Familien, die mit der ganzen Familie kommen. Das ist doch super! Ich freue mich über die weißen Kleider. Ich freue mich, dass die Kinder das Gefühl haben, heute ist ein besonderer Tag. Das gehört alles dazu.
Aber man muss von Anfang an die Erwartungen klären. Wer die Erwartung hat, dass die Kommunionkinder und ihre Familien die Institution Kirche oder im speziellen die Pfarrei St. Agnes retten, ist auf dem Holzweg.
Nach der Kommunion schreibe ich den Eltern jeden Freitag eine E-Mail. Darin erzähle ich, was in der Gemeinde so los ist und was am kommenden Sonntag im Gottesdienst vorkommt. Das ist meine Verbindung zu den Familien. Sie sollen auch nach der Kommunion den Eindruck haben, dass sie dazu gehören. Wenn man sich nach der Kommunion ein, zwei, drei Jahre nicht sieht, ist das doch egal.
Ich finde, die Eltern sollen an dieser Kommunionvorbereitung die Erfahrung machen, dass sie der Glaube durch das Leben trägt. Dazu gehört auch, dass sie die Nähe und die Distanz in der Art und Weise selbst bestimmen, die ihnen guttut. Ich erlebe das in unserer Pfarrei. Dadurch ist vielleicht nicht alles gut, aber das ist ein sehr schöner Weg.
Das Interview führte Heike Sicconi.