Vor 375 Jahren wurde Abraham a Sancta Clara geboren

Neue Kanzeltöne und beißende Gesellschaftskritik

Der Barfüßermönch Abraham a Sancta Clara gilt als der bedeutendste Prediger im Barock. Aber vor allem bissige Gesellschaftssatire und unbequeme Moralpredigten machten ihn populär.

Autor/in:
Anselm Verbeek
Denkmal für Abraham a Santa Clara in Wien / © Free Wind 2014 (shutterstock)
Denkmal für Abraham a Santa Clara in Wien / © Free Wind 2014 ( shutterstock )

Der Prediger in der Mönchskutte kannte Not und Last der "kleinen Leute" wie der "Großkopferten". Unter dem barock pompösen Ordensnamen Abraham a Sancta Clara wuchs der Augustiner in Wien zum berühmtesten Kanzelredner und Wortschöpfer im deutschen Sprachraum seit der Reformation heran.

Als Johann Ulrich Megerle, Sohn von Leibeigenen, hat Abraham vor 375 Jahren, am 2. Juli 1644, im Weiler Kreenheinstetten auf der Schwäbischen Alb das Licht der Welt erblickt.

Deftige Gesellschaftskritik von der Kanzel

Die Menschen, ermüdet von Theologengezänk und religiöser Gewalt im Dreißigährigen Krieg, liebten die neuen Kanzeltöne: Abrahams befreienden Sprachwitz, seine eingängigen Reime und Enthüllungen sozialer Auswüchse. Unter dem Schutz des Kaisers konnte er von der Kanzel ungeschminkt die Wahrheit sagen, was andere in die Fänge der Justiz getrieben hätte. Seine Predigten enthielten wenig Bibelexegese, dafür viel Vorbildliches aus Heiligenleben und Geschichte, gewürzt mit deftiger Gesellschaftskritik.

Ethik und ihre praktische Anwendung war Abrahams Anliegen. Wie Martin Luther hat er dem Volk aufs Maul geschaut - und die Menschen sogar mit unbequemen Moralpredigten erreicht. Prägende Lehrjahre hatte er als Kind in der elterlichen Gaststätte erfahren.

Der Augustiner konnte auch hitzige Stammtisch-Parolen in seinen berühmten Kanzelreden populistisch und aus heutiger Sicht sehr fragwürdig aufgreifen - wenn es etwa gegen die Konkurrenz "des Juden" oder die Bedrohung "des Türken" ging.

Mit 18 trat er dem Reformorden der Augustiner-Barfüßer bei, wurde nach Studium und Priesterweihe Pater Abraham. Wenige Jahre später wurde der feurige Kanzelredner aus der Provinz nach Wien zitiert, wo er rasch das Vertrauen von Kaiser Leopold I. erwarb. Schon im November 1673 durfte er zum ersten Mal vor dem Hofstaat predigen. Der Augustiner feierte Landespatron Markgraf Leopold aus grauer Vorzeit der Habsburger. Der Kaiser war entzückt, als Abraham am Ende seiner Festpredigt den Namensvetter im Himmel für ihn beten ließ.

Hofprediger in Pestzeiten

Den Fürsprecher im Himmel hatten Kaiser und Residenzstadt dringend nötig. Wien hatte Schreckensjahre zu bestehen: das Pestjahr 1679 und die türkische Belagerung 1683. Abraham wirkte für die patriotische Sache. Um seine Stellung zu stärken, hatte Leopold ihn zum Hofprediger ernannt.

Abraham appellierte an den Durchhaltewillen der gebeutelten Wiener. Dabei entstanden seine berühmtesten Schriften: zum Pestjahr ("Mercks Wienn") und zur Türkenabwehr ("Auff, auff, Ihr Christen"). Als die Seuche über Wien hereinbrach, ging der Augustiner in Quarantäne.

Gelehrte wussten um die Ansteckungsgefahr, auch wenn im Volk noch die Vorstellung von der Geißel Gottes herumgeisterte. Verschanzt im Palais eines Gönners nutzte Abraham die Zeit zum Schreiben. In "Mercks Wienn" kombinierte der Stadtschreiber ergreifende Pestpredigten und illustrierenden Totentanz mit nüchterner Chronik.

Abraham war ein Klassiker gelungen: Wie die Pest, die grausige Gleichmacherin, zuerst in den Armenvierteln einbricht und zuletzt die Paläste der Reichen erobert. Wie Familien- und Freundschaftsbande zerreißen. Wie der Würgengel die Menschen packt, sie einsam sterben auf der Straße oder im Kämmerlein - apokalyptische Bilder.

"Auff, auff, Ihr Christen!" 

Als vier Jahre später eine riesige türkische Belagerungsarmee Wien einschnürte, weckte Abraham Kreuzzugsstimmung: "Auff, auff, Ihr Christen!" Er erlebte aus dem fernen Graz, wie Wien noch in letzter Stunde befreit wurde. Seine Kampfschrift hat Schiller, auf Anregung Goethes, zur Kapuzinerpredigt im Wallenstein inspiriert.

Später als Prior und Provinzial in Graz war er in vielen Klöstern und Kirchen Fest- und Gastprediger, reiste mehrfach nach Rom und veröffentlichte neben Predigtsammlungen und Beiträgen zur Narrenliteratur sein vierteiliges Hauptwerk "Judas, der Ertz-Schelm" zwischen 1686 und 1695.

Ab 1690 leitete Abraham von Wien aus die deutsch-böhmische Ordensprovinz der Augustiner-Barfüßer. Nach langem Leiden an Gicht und anderen Krankheiten starb er mit 65 Jahren am 1. Dezember 1709. In der Ordensgruft der Wiener Augustinerkirche wurde er bestattet.


Quelle:
KNA