Neue Stiftung soll Heimkinder mit Behinderungen entschädigen

Endlich anerkannt

"Weinen war nicht erlaubt. Und wenn doch, gab's Schläge", erinnert sich ein Heimkind aus einer Behinderteneinrichtung. Ab 2017 soll es auch für diese Gruppe eine Entschädigung geben - auf Drängen der Behindertenbeauftragten der Bundesregierung.

Autor/in:
Birgit Wilke
Fotos von Heimkindern / © Armin Weigel (dpa)
Fotos von Heimkindern / © Armin Weigel ( dpa )

Am Mittwoch beschloss das Kabinett nun endlich die Stiftung "Anerkennung und Hilfe", die frühere Heimkinder mit Behinderungen entschädigen soll. Viel zu lange hätten Opfer auf eine solche Unterstützung gewartet, so die Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Verena Bentele.

Denn: In den beiden Heimkinderfonds, der eine für die Opfer in der alten Bundesrepublik, der andere für die in der DDR, taucht diese Gruppe nicht auf. Mit einem fraktionsübergreifendem Beschluss vom 7. Juli 2011 forderte der Bundestag die Bundesregierung auf, in Abstimmung mit den Bundesländern sowie den Kirchen auch für diese Gruppe Hilfen auf den Weg zu bringen.

Auch der Vorsitzende der Kommission für caritative Fragen der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Stephan Burger, zeigte sich erleichtert, dass Betroffene nun Hilfen erhalten können. Die Kirche wolle sich ihrer Verantwortung stellen, betonte der Freiburger Erzbischof: "Das sind wir diesen Menschen schuldig".

Zähe Verhandlungen

Nach zähen Verhandlungen einigten sich die Beteiligung im vergangenen Juni schließlich auf die Stiftung "Anerkennung und Hilfe". Damit soll ein Hilfesystem für Menschen geschaffen werden, die in der Vergangenheit als Kinder und Jugendliche in der Bundesrepublik und der DDR in stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe oder stationären psychiatrischen Einrichtungen Unrecht und Leid erfahren haben.

Am heutigen Mittwoch brachte das Kabinett die Stiftung nun auf den Weg. Danach sollen Bund, Länder und Kirchen die neue Stiftung mit einem Vermögen in Höhe von insgesamt 288 Millionen Euro ausstatten. 

Bentele zeigte sich erleichtert. Endlich sei eine Lösung im Sinn der Betroffenen gefunden worden sei. Viel zu lange hätten sich Bund, Länder und Kirchen nicht über die finanziellen Punkte einigen können. Das Leiden der Menschen sei durch diese langwierigen Diskussionen immer wieder unzumutbar thematisiert worden.

Anfang Dezember soll die Stiftung bei der Arbeits- und Sozialministerkonferenz feierlich in Kraft gesetzt werden. Die zugesicherten Hilfen sollen ab Anfang des kommenden Jahres an die Betroffenen ausgezahlt werden. Sie sollen dann eine Geldpauschale in Höhe von 9.000 Euro sowie Rentenersatzleistungen von bis zu 5.000 Euro für die Arbeitsleistungen während ihrer Zeit in den Einrichtungen erhalten.

Caritasstudie deckt Ausmaß auf

Wie schlimm das erfahrene Leid für die Betroffenen war, untersuchte erstmals die Caritas, die den entsprechenden Bericht im vergangenen Juni vorstellte. Für die Studie, die katholische Einrichtungen in Westdeutschland von 1949 bis 1975 untersucht, wurden mehr als 300 frühere Bewohner angefragt. 70 Prozent von ihnen gaben an, dass sie dort körperliche Gewalt erfahren hätten. 60 Prozent berichteten von Erfahrungen, die die Wissenschaftler als psychische Gewalt einordnen.

30 Prozent sprachen von sexualisierter Gewalt. Nahezu jeder vierte Befragte betonte, bis heute nicht zu wissen, warum er oder sie in das Heim gebracht wurde.

In dem Bericht kommen die Opfer auch selber zu Wort. So erinnert sich eine Bewohnerin eines katholischen Behindertenheims: "Weinen war nicht erlaubt. Und wenn doch, gab's auch dafür Schläge." Und ein anderer berichtet: "Da wurden wir in einen dunklen Raum gesperrt, das war für mich das Schlimmste, was es gab."


Verena Bentele / © Kay Nietfeld (dpa)
Verena Bentele / © Kay Nietfeld ( dpa )
Quelle:
KNA