Neuer Konflikt um christliche Symbole nahe der Klagemauer

Das Kreuz des Anstoßes

Darf ein Abt beim Überqueren des Platzes vor der Klagemauer sichtbar ein Brustkreuz tragen? An dieser Frage hat sich in Jerusalem ein Streit entzündet. Einige der Beteiligten mit ihren persönlichen Sichtweisen auf den Vorfall.

Autor/in:
Andrea Krogmann
Abt Nikodemus Schnabel / © Andrea Krogmann (KNA)
Abt Nikodemus Schnabel / © Andrea Krogmann ( KNA )

In der sensiblen Jerusalemer Religionslandschaft hat am Mittwoch ein Video für Aufregung gesorgt, das ein "Spiegel"-Journalist auf Twitter teilte.

Nikodemus Schnabel, Abt der Benediktinerabtei Dormitio, liest das Evangelium / © Andrea Krogmann (KNA)
Nikodemus Schnabel, Abt der Benediktinerabtei Dormitio, liest das Evangelium / © Andrea Krogmann ( KNA )

Der Inhalt: Nikodemus Schnabel, Abt der deutschsprachigen Benediktiner auf dem Jerusalemer Zionsberg, wird von einer Mitarbeiterin der für die Klagemauer zuständigen Western Wall Heritage Foundation aufgefordert, sein Brustkreuz zu verdecken. Es sei "wirklich groß und unangemessen für diesen Ort", sagt sie und beruft sich auf neue Regelungen für die jüdische Stätte. Berichtigter Hinweis oder Beleg für zunehmende antichristliche Tendenzen in der Stadt?

Ein öffentlicher Platz und kein Sakralraum

Die Sache sei banaler und damit skandalöser, als sie bei einigen angekommen sei, meint Schnabel. Gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) schildert er das Geschehene aus seiner Sicht. Er habe Bettina Stark-Watzinger (FDP), Bundesministerin für Bildung und Forschung, am frühen Morgen durch die Altstadt geführt.

Klagemauer in Jerusalem (epd)
Klagemauer in Jerusalem / ( epd )

Die letzten Meter - gegen 9 Uhr sollte die Tour enden - sei die Gruppe "in keiner Weise provokativ" und etlicher Entfernung zur Klagemauer über den Vorplatz gegangen. Dort sei es zu besagter Aufforderung gekommen.

"Der Platz vor der Klagemauer ist ein öffentlicher Platz und kein Sakralraum, was sich auch daran ablesen lässt, dass Männer dort keine Kippa tragen müssen. Das ist so, als würde jemand auf der Kölner Domplatte Passanten wegen ungebührlicher Kleidung ermahnen", erläutert Schnabel. Er glaube an Werte wie Respekt und Koexistenz, betont der Benediktiner, doch genau diese Werte sieht er durch sein Verhalten nicht beeinträchtigt. Ein Besuch an der Klagemauer oder ein Gebet an dieser Stelle, "was ich als Abt sowieso nicht machen würde", seien nicht geplant gewesen. Empört fährt Schnabel fort: "Darf ich nicht einmal mehr in meinem Abtgewand durch den öffentlichen Raum gehen?"

Entschuldigung der Western Wall Heritage Foundation

Die Ministerin als Augenzeugin bezeichnete den Zwischenfall auf Anfrage der KNA als "befremdlich", verwies aber auf eine Entschuldigung der Western Wall Heritage Foundation.

"Wir entschuldigen uns für die entstandenen Unannehmlichkeiten. Die Klagemauer ist für alle offen", heißt es in einer Stellungnahme der Organisation. Die "höfliche" Anfrage der Platzanweiserin sei "aus Respekt vor dem Besucher und der Stätte" erfolgt. Die Entscheidung des Abtes, sein Kreuz nicht abzudecken, sei respektiert worden.

Was sagt Klagemauerrabbiner?

Vorschriften in Sachen Kreuze auf dem Areal der Klagemauer, erklärte das Büro des Klagemauerrabbiners Schmuel Rabinowitsch gegenüber der KNA, gebe es nicht.

In der Vergangenheit äußerte sich Rabinowitsch jedoch eindeutig: Nicht nur Päpste, Bischöfe oder Äbte sollten ihre Kreuze von der westlichen Umfassungsmauer des zweiten jüdischen Tempels fernhalten, sondern auch sichtbare Kreuzanhänger gewöhnlicher Pilger seien unerwünscht. 2009 regte er an, Papst Benedikt XVI. möge bei seinem Besuch ohne Brustkreuz an die Stelle herantreten, worauf der damalige Generalsekretär des Zentralrats der Juden, Stephan J. Kramer, dem Rabbiner vorwarf, sein religiöses Amt für Intoleranz zu missbrauchen.

Österreichische Bischofskonferenz an Klagemauer auflaufen lassen

Schon 2007 habe Rabinowitsch die Vollversammlung der Österreichischen Bischofskonferenz an der Klagemauer auflaufen lassen, erinnert sich Markus Bugnyar, Rektor des Österreichischen Hospizes in Jerusalem und damals für die Organisation des Besuchs verantwortlich. Dass die Bischöfe mit Brustkreuzen erschienen seien, habe weder mit Ignoranz noch dem Willen zur Provokation zu tun gehabt.

Brustkreuz eines Bischofs / © Harald Oppitz (KNA)
Brustkreuz eines Bischofs / © Harald Oppitz ( KNA )

"Nach dem geplanten Besuch an der Klagemauer und einem Treffen mit Rabinowitsch fuhren die Bischöfe weiter zur Holocaustgedenkstätte Yad Vashem, wo sie Verantwortungsbewusstsein als kirchliche Repräsentanten zeigen wollten - in Bischofskleidung mit Brustkreuz", so Bugnyar. Das habe man der Verwaltung der Klagemauer sehr klar kommuniziert. Auf dem Gelände der Klagemauer angekommen, sei es weder zu dem Treffen noch einem Besuch an der Stätte selbst gekommen - weil die Bischöfe der Forderung nicht nachgekommen seien, ihre Kreuze abzunehmen.

Schnabel äußert nun viel Verständnis für die Sensibilität des Ortes.

Jüdisches Viertel keine "No-Go-Area"

Auch wenn er als Gastgeber in der Dormitio-Abtei jeden herzlich willkommen heiße, "ob mit Kippa, Kopftuch oder barfuß", hinterfrage er sich als Gast an fremden heiligen Orten besonders gründlich. Über vieles lasse sich reden. Im öffentlichen Raum für seine christliche Arbeitskleidung angefeindet zu werden, sei jedoch "indiskutabel". Das jüdische Viertel dürfe nicht zu einer No-go-Area für Christen werden, betonte er auch im Interview mit DOMRADIO.DE.

Leider gebe die gegenwärtige Regierung derartigen Richtungen Rückendeckungen, beklagt der Ordensmann, der als kritischer Beobachter und Betroffener zunehmender radikal-jüdischer, antichristlicher Tendenzen bekannt ist. Es sei eine Tendenz spürbar, die Grenze zwischen weltlich und sakral zu verwischen. Und einige Extremisten seien der Ansicht, dass "ganz Jerusalem heilig ist und es in der Stadt keinen Platz für Kirchen gibt".

Klagemauer

Klagemauer in Jerusalem (epd)
Klagemauer in Jerusalem / ( epd )

Die sogenannte Klagemauer ist die wichtigste religiöse Stätte für Juden. Die Bedeutung leitet sich aus der Nähe zum 70 nach Christus zerstörten Jüdischen Tempel ab; die Mauer gehört zum westlichen Stützfundament und ist nach allgemeiner Überzeugung der dem Allerheiligen des zerstörten Tempels nächstgelegene Ort.

Quelle:
KNA