Warum ist ein Übergangsmechanismus für die Verteilung von im Mittelmeer geretteten Flüchtlingen und Migranten notwendig?
Immer wieder sind in den vergangenen Wochen Schiffe von Nichtregierungsorganisationen mit geretteten Flüchtlingen und Migranten vor der Küste in Italien angekommen. Oft mussten sie Wochen warten, bis Italien sie anlegen ließ. Der Grund: Die EU-Staaten mussten sich erst einigen, wer wie viele der Geretteten aufnehmen kann. Statt dieses langwierigen Prozesses und unzähliger Telefonate unter den EU-Innenministers soll nun ein automatischer Mechanismus gefunden werden. Ziel ist es, dass die Geretteten, die meistens eine lange Flucht hinter sich haben, nicht auf den Booten warten müssen.
Warum ist es nur ein Übergangsmechanismus?
Seit 2016 versuchen die EU-Mitgliedstaaten das gemeinsame europäische Asylsystem - auch unter Dublin bekannt - zu reformieren. Es sieht unter anderem vor, dass der EU-Staat für das Asylverfahren zuständig ist, wo der Asylbewerber zum ersten Mal europäischen Boden betritt.
Das sind demzufolge meistens die Länder an den EU-Außengrenzen wie Italien, Griechenland, Spanien und Malta. Um diese Länder zu entlasten und die Lasten besser zwischen den EU-Staaten aufzuteilen, soll dieses Prinzip überarbeitet werden. Doch da die Reform seit Jahren von Staaten wie Ungarn blockiert wurde, soll nun erstmal ein vorübergehender Verteilmechanismus gefunden werden.
Wie stehen die Chancen für eine Lösung?
Die Chancen stehen nicht schlecht. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat bereits angekündigt, dass Deutschland bereit wäre, ein Viertel der Geretteten aufzunehmen. Das wäre jeder vierte und entspricht dem Anteil, den Deutschland derzeit über die Ad-Hoc-Aufnahme bereits aufnimmt. Seit Juli 2018 wurden 2.200 Menschen aus Seenot im Mittelmeer gerettet. Deutschland sagte die Aufnahme von 565 Migranten und Flüchtlingen zu.
Frankreich hat sich für die Initiative generell aufgeschlossen gezeigt, aber noch nicht konkret genannt, wie viele Menschen es aufnehmen würde. Auch die neue Regierung in Italien steht einem vorübergehenden Verteilmechanismus positiv gegenüber.
Zurückhaltend sind derzeit noch mögliche andere EU-Staaten, die sich zuletzt an der Aufnahme von Flüchtlingen und Migranten beteiligt hatten wie Irland, Portugal, Finnland oder Luxemburg. Doch sollte es eine Einigung am Montag geben, wird erwartet, dass Deutschland und Frankreich unter den anderen EU-Staaten noch einmal für das Projekt werben.
Welche kniffligen Fragen sind noch ungeklärt?
Umstritten ist, wer von den Geretteten auf die teilnehmenden Staaten verteilt werden soll. Schätzungen eines EU-Diplomaten zufolge haben nur etwa 20 bis 30 Prozent der im Mittelmeer geretteten Menschen Aussicht auf Asyl in der EU. Einige EU-Staaten wollen nur Menschen mit guter Aussicht auf Asyl aufnehmen. Doch Italien fürchtet, dass die restlichen Menschen im Land bleiben könnten. Eine mögliche Lösung wäre, dass Teams der EU-Grenzschutzagentur Frontex Italien bei der Rückführung der Geretteten ohne Asylanspruch unterstützen.
Ein andere strittige Frage ist, wo Schiffe von Nichtregierungsorganisationen in Zukunft anlegen sollen. Bisher galt, dass es der am nächsten gelegene sichere Hafen sein soll. Malta hat etwa ein Rotationsprinzip vorgeschlagen, bei dem auch französische Häfen angefahren werden könnten. Auf diese Weise würde die Erstversorgung der aus Seenot geretteten Menschen besser unter den EU-Staaten verteilt. Frankreich steht dieser Idee jedoch skeptisch gegenüber.
Von Franziska Broich