DOMRADIO.DE: Am Sonntag ist Ihre Weihe zum neuen Bischof von Würzburg. Da tritt man quasi in die Nachfolge der Heiligen Apostel. Wie fühlen Sie sich vor so einem großen Tag?
Franz Jung (Ernannter Bischof von Würzburg): Ein wenig aufgeregt. Wir haben aber einen Rundgang gemacht durch den ganzen Dom, alle Schauplätze des Weihegottesdienstes mal besichtigt, sodass man langsam auch mit den Örtlichkeiten vertraut wird und auch mit der Feier, wo die sich abspielt und was dann passiert. Und es gibt eine gewisse Sicherheit in der Vorbereitung auch auf diesen Gottesdienst.
DOMRADIO.DE: Wie bereiten Sie sich ganz persönlich darauf vor?
Jung: Ende April hatte ich mir eine ganze Woche Stille gegönnt in Exerzitien. Das war eine Zeit des persönlichen Rückblicks auf das, was bislang war und das, was dann kommen wird. Für mich die letzten Tage und Wochen immer wieder besonders die Weiheversprechen. Es sind ja doch ganz besondere Dinge, die man da vor der Wahl noch mal verspricht. Insbesondere das Apostelamt wahrzunehmen, das Evangelium treu zu verkünden, den Priestern und Diakonen ein guter Vater zu sein, für die Armen und Heimatlosen einzustehen und auch den Verirrten als guter Hirte nachzugehen. Es sind ja große Dinge, die man da verspricht und wo man sich selbst immer fragt: Kann ich das einlösen? Wie will ich das einlösen? Werden wir gemeinsam einen guten Weg finden? Und das ist auch so die Bitte, die im Weihegottesdienst noch mal geäußert wird.
DOMRADIO.DE: Jeder Bischof erhält als äußere Zeichen dann sogenannte Insignien, wie den Bischofsstab oder auch das Brustkreuz. Sie haben gesagt 'Ich möchte keine neuen'. Warum?
Jung: Das geht alles ganz schnell. Man wird zum Bischof ernannt und dann muss man sehen, wie komme ich zu diesen Insignien. Da war es ein ganz, ganz schönes Zeichen, über das ich mich sehr gefreut habe, dass unser Domkapitel gesagt hat, es möchte mir gerne den Bischofsstab unseres verstorbenen Weihbischofs Ernst Gutting als Dauerleihgabe für meinen Dienst als Bischof von Würzburg schenken; auch als Zeichen der Verbundenheit zwischen Speyer und Würzburg und so ein bisschen symbolisch auch als die Stabübergabe und die Amtsübergabe. Das hat mich ganz arg gefreut, dass sie überhaupt auf diese Idee gekommen sind. Den Ring und das Kreuz habe ich geschenkt bekommen. Das war auch eine sehr, sehr schöne Fügung. Das heißt, ich musste mich darum auch nicht bemühen in dem Sinn. Und das hat mir die ganze Sorge jetzt um Insignien abgenommen, da war ich ganz froh drüber.
DOMRADIO.DE: Das vermutlich größte Projekt, das Sie erwartet in Würzburg, das ist die "Pastoral der Zukunft" - unter diesem Motto läuft in der Diözese seit knapp zwei Jahren schon ein Strukturprozess, der die Zahl von derzeit noch gut 600 Pfarreien drastisch reduzieren soll. So etwas haben sie in Speyer als Generalvikar auch schon durchgeführt - zur allseitigen Zufriedenheit, wie man hört. Was sagen Sie denn Gläubigen, die ja vielleicht ein bisschen Angst haben vor großen anonymen Seelsorgeeinheiten?
Jung: Als Erstes würde ich sagen, dass eine Veränderung unabweisbar ist, das sieht, glaube ich, jeder. Der Status quo, so wie Kirche vor noch wenigen Jahrzehnten war, ist es nicht mehr. Die Veränderung findet jetzt schon statt und die Frage ist 'Wie kann man diese Veränderung, die jetzt hier Platz gegriffen hat, wie kann man die positiv gestalten?' Da ist natürlich Angst kein guter Faktor. Angst tendiert dazu, immer das Alte um jeden Preis festhalten zu wollen. Auch wenn man sieht, dass es eigentlich gar keinen Sinn hat. Das heißt, die Angst abzulegen und gemeinsam nach einem guten Weg für die Zukunft zu sorgen. Und diesen Weg zu besprechen. Ich glaube, das Erfolgsrezept in Speyer war, dass wir das tatsächlich kommunikativ und partizipativ gestaltet haben, sodass keiner Angst haben muss, dass irgendwelche Dinge passieren, bei denen er nicht weiß, was da passiert und dass er auch nie die Möglichkeit gehabt hätte, noch mal seines dazuzugeben und es in einer positiven Weise mitzugestalten. Ich glaube, das ist die Herausforderung, vor der wir stehen.
DOMRADIO.DE: Der Grund für diese Strukturprozesse ist natürlich die abnehmende Zahl der Kirchenmitglieder. Wie kann man denn Menschen, vor allem junge Menschen, auch wieder für Kirche begeistern?
Jung: Indem man schaut, wie deren Lebenswelt strukturiert ist und wo Punkte sind, an die man anknüpfen kann als Kirche. Das ist nicht nur die Herausforderung für junge Menschen, sondern für alle heute. Ich sag immer so schön: Wir müssen die Schnittstellen schaffen. Die sind nicht einfach wie in volkskirchlichen Zeiten, sondern wir müssen gucken, wo können wir anknüpfen an deren Lebenswelt. Das sehe ich viele Möglichkeiten. Das eine sind Gottesdienste mit Stille und Ruhe. Der normale Gemeinde-Gottesdienst spricht die ältere Generation an. Ich glaube, die junge Generation sucht Meditation, sucht Innerlichkeit und wir haben noch viel zu wenige Formate dafür. Dann natürlich Projekte, die die Welt verändern. Junge Menschen suchen nach dem, was sie gestalten können, wo man sieht, dass man etwas bewirken kann. Das heißt eine Pastoral, die auch stark sozial orientiert ist, so wie es Papst Franziskus uns ja auch immer wieder ins Stammbuch schreibt. Und natürlich die junge Generation - mehr als meine Generation noch - Kommunikation ist derzeit fast alles. In den sozialen Netzwerken geht es um die Frage 'Wie erreiche ich die Menschen?'.
DOMRADIO.DE: Klingt so danach, einen festen Anker zu wissen und gleichzeitig aber mutig rauszugehen. In ihrem Bischofswappen sind auch zwei Anker zu finden und die Anker kommen auch in ihrem Bischofs-Wahlspruch vor. Diese Anker symbolisieren jetzt nicht unbedingt ihre Verbundenheit zur christlichen Seefahrt oder was steckt dahinter?
Jung: Die Verbindung zur Seefahrt kommt durch meine Heimatstadt Ludwigshafen. Die hat ja den Anker in ihrem Stadtwappen. Aber der Anker ist eines der ältesten christlichen Symbole überhaupt. Ich habe in Rom studiert. Wer in die Katakomben geht, findet an den Gräbern in den Katakomben immer schon den Anker als das große Hoffnungszeichen. Ich habe in meinem Wappen zwei Anker: der eine Anker, der normal auf den Boden zeigt und der andere, der in den Himmel zeigt. Das war mir ganz wichtig. Das bedingt durch den Wahlspruch, der dem Hebräerbrief entnommen ist, wo es heißt, dass die Hoffnung der Anker der Seele ist. Wir brauchen eine Verankerung im Himmel, das ist Jesus Christus. Der ist die personifizierte Hoffnung, an dem wir uns festmachen und der uns immer erlaubt, auch in stürmischen Zeiten den Anker wieder zu lichten, um neu aufzubrechen, weil wir einen Halt im Himmel haben. Das ist so gesehen die Botschaft, die auch verständlich ist für Menschen, die nicht unbedingt direkt mit Kirche identifiziert sind; aber der Anker als Hoffnungssymbol, die Hoffnung als Anker der Seele, kann ein gutes Motto sein für meinen bischöflichen Dienst.
Das Interview führte Verena Tröster