Neues Buch über Antisemitismus im Islam erschienen

Nahostkonflikt nur ein Brandbeschleuniger?

Juden werden im Koran zum Feind. Das liegt an der konkreten historischen Situation des Propheten Mohammed in Medina. Der Islam müsse sich dringend davon zu lösen, meint der Freiburger Religionspädagoge Abdel-Hakim Ourghi.

Autor/in:
Christoph Schmidt
Kippas / © David Cohen 156 (shutterstock)

Israelfeindliche Proteste und Angriffe von Muslimen auf Juden haben in den vergangenen Jahren zugenommen. Kritiker werfen der deutschen Politik vor, das Problem zu tabuisieren. Dabei werde die Gefahr mit der Migration aus Nahost und Nordafrika nicht kleiner.

Der Islamwissenschaftler Abdel-Hakim Ourghi geht den Ursachen für muslimischen Antisemitismus in einem neuen Buch nach. "Die Juden im Koran - Ein Zerrbild mit fatalen Folgen" betont, dass der Hass weit über den Nahostkonflikt hinausgehe und religiöse Wurzeln in der Frühzeit des Islam hat.

Judenfeindlichkeit in Schriften des Islam

Er selbst sei mit 23 Jahren als "indoktrinierter Antisemit" aus Algerien nach Deutschland gekommen, bekennt der Freiburger Religionspädagoge.

Ein aufgeschlagener Koran / © Bernd Thissen (dpa)
Ein aufgeschlagener Koran / © Bernd Thissen ( dpa )

Bewusst spricht er von einem islamischen, nicht islamistischen Antisemitismus, denn Judenfeindlichkeit gehöre zu den gängigen Inhalten muslimischer Kindererziehung und Sozialisation. Das liegt Ourghi zufolge vor allem an entsprechenden Aussagen in den kanonischen Schriften des Islam, angefangen mit dem Koran selbst.

Tatsächlich spiegeln dessen Suren die Geschichte einer verhängnisvollen Eskalation. Zur Zeit Mohammeds leben viele jüdische Stämme auf der Arabischen Halbinsel, drei davon in Medina, wo der Religionsstifter nach seiner Flucht aus Mekka im Jahr 622 ein islamisches Staatswesen gründet. Vergeblich hofft er, die Juden würden den Islam annehmen und ihn als Propheten anerkennen.

Schließlich knüpft sein strenger Monotheismus in vielem an die Thora an; selbst die Gebetsrichtung der Muslime weist zunächst nach Jerusalem.

Juden bleiben ihrer Religion treu

Doch die Juden bleiben ihrer Religion treu. "Du wirst sicher finden, dass diejenigen Menschen, die sich den Gläubigen gegenüber am meisten feindlich zeigen, die Juden und die Heiden sind", verkündet Allah seinem Gesandten in Sure 5. Vorwürfe und Schmähungen gegen die Juden nehmen nun im Koran zu. Sie hätten Gottes Wort in der Thora verfälscht, heißt es, und überträten seine Gebote, etwa durch verbotene Zinsnahme. Einige habe Allah dafür in Affen und Schweine verwandelt - bis heute ein unter radikalen Muslimen beliebtes Bild.

Juden, aber auch Christen sollten sich die Muslime nicht zu Freunden nehmen, fordert das Heilige Buch. "In diesem Sündenkatalog werden die Juden zum ewigen, historischen Widersacher des Islam", schreibt Ourghi.

Beginn einer "Geschichte der Gewalt"

Am Ende lässt Mohammed zwei jüdische Stämme aus Medina vertreiben, den dritten umbringen bzw. versklaven, weil er angeblich gemeinsame Sache mit den Mekkanern gemacht habe. Für Ourghi der Beginn einer "Geschichte der Gewalt", die den Umgang von Muslime mit Juden bis in die Gegenwart prägt. Zumal auch die Erzählungen aus dem Leben des Propheten, die Hadithe, voll seien von antijüdischen Aussagen.

Diskriminierung und Pogrome durch die Jahrhunderte sind für den Autor die naheliegende Folge. Nicht einmal den Mythos vom toleranten Zusammenleben der Religionen im mittelalterlichen Andalusien hält er für authentisch.

Ourghi wirft ein Schlaglicht auf die Tatsache, dass Judenfeindlichkeit - durch das überlieferte Vorbild des Propheten selbst - im konservativen Mehrheitsislam weit verbreitet ist und von bekannten Gelehrten gepredigt wird. "Möge Allah die verfluchten Juden erniedrigen und zerstören!" - dieses Bittgebet wird bis heute in den Moscheen arabischer Staaten wiederholt.

Historische-kritische Analyse gefordert

Auf historische Beispiele für ein fruchtbares und tolerantes Zusammenleben von Juden und Muslimen, die es von Andalusien bis ins Osmanische Reich ja durchaus gab, verzichtet Ourghi fast ganz. Für ihn ändern sie nichts am Gesamtbild. Der israelisch-arabische Konflikt fungiere darin nur als "Brandbeschleuniger".

Vor allem säkulare Muslime sehen es genau umgekehrt: Israels Besatzung und ungebremste Siedlungspolitik sind für sie die offene Wunde, die die alten religiösen Vorurteile befeuert und den Islamisten in die Hände spielt.

Aber gerade progressive Muslime werden Ourghis zentraler Forderung zustimmen, dass der traditionelle Islam dringend eine historisch-kritische Analyse seiner kanonischen Quellen braucht, die Mohammed als Menschen seiner Zeit interpretiert. Nicht nur, um mittelalterliche Ressentiments gegen Andersgläubige zu überwinden, sondern um die eigenen Gesellschaften von religiösen Fesseln zu befreien. Anders wird die islamische Welt ihre tiefe sozioökonomische Krise nicht überwinden.

Antisemitismus

Antisemitismus nennt man die offen propagierte Abneigung und Feindschaft gegenüber Juden als Volksgruppe oder als Religionsgemeinschaft. Der Begriff wird seit dem 19. Jahrhundert gebraucht, oft als Synonym für eine allgemeine Judenfeindlichkeit. Im Mittelalter wurden Juden für den Kreuzestod Jesu verantwortlich gemacht und als "Gottesmörder" beschuldigt. Während der Kreuzzüge entlud sich die Feindschaft in mörderischen Ausschreitungen, Vertreibungen und Zwangsbekehrungen.

Teilnehmende einer Demonstration zur Solidarität mit Israel / © Michael Kappeler (dpa)
Teilnehmende einer Demonstration zur Solidarität mit Israel / © Michael Kappeler ( dpa )
Quelle:
KNA