Üblicherweise hält das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) seine Herbstvollversammlungen am Sitz seines Generalsekretariates ab. In der Vergangenheit war dies Bonn. Das ändert sich ab Beginn des kommenden Jahres. Dann wird das höchste repräsentative Gremium der katholischen Laien in Deutschland seine Zelte in Berlin aufschlagen. Eine erste Annäherung an die neuen Verhältnisse bietet die Vollversammlung am 19. und 20. November, für die sich die rund 230 Teilnehmer Richtung Hauptstadt aufmachen.
Die Zeichen stehen auf Wandel, nicht nur was den künftigen Sitz des ZdK anbelangt. Bereits am ersten Tag der Zusammenkunft wird die Vollversammlung ein neues Präsidium wählen. Der bisherige ZdK-Präsident Thomas Sternberg hatte angekündigt, nach sechs Jahren Amtszeit nicht mehr für den Posten an der Spitze des höchsten repräsentativen Gremiums der katholischen Laien in Deutschland zu kandidieren. Auch drei seiner vier Vize wollen sich zurückziehen. Der Berliner Wolfgang Klose ist der einzige aus dem derzeit noch aktiven Quintett, der erneut kandidiert.
Das bedeutet einen personellen Umbruch. Für die Nachfolge von Sternberg an der Spitze des ZdK haben die Sozialwissenschaftlerin Irme Stetter-Karp und der Theologe und Unternehmensberater Ulrich Hemel ihren Hut in den Ring geworfen. Anders als Sternberg und dessen Vorgänger kommen beide nicht unmittelbar aus dem politischen Betrieb. Eventuell eine Hypothek für den Start in Berlin, wo das ZdK näher an die Entscheidungsträger in Bundestag und Regierung rücken will. Unter Umständen aber auch eine Chance, weil Stetter-Karp wie auch Hemel frei und ohne Ballast aus der eigenen beruflichen Karriere in Berlin auftreten können.
Neue Wege bei der Kommunikation und den Synodalen Weg
Innerkirchlich dagegen sind beide bestens vernetzt. Das kann für den weiteren Fortgang beim Synodalen Weg, dem von den deutschen Bischöfen und dem ZdK unter dem Eindruck des Missbrauchsskandals vor zwei Jahren gestarteten Reformdialog, von Nutzen sein. Ebenso wie für die Aufgabe, einer zunehmend kirchenfernen Öffentlichkeit zu erklären, wer die Katholiken sind und für was sie stehen. Ostdeutschland, wo Christen jetzt schon in einer Minderheitensituation sind, könnte für das Katholikenkomitee zu einem Laboratorium werden, um neue Wege der Kommunikation zu erproben.
Das wird auch auf der politischen Bühne in Berlin vonnöten sein. Während die ZdK-Vollversammlung tagt, gehen die Verhandlungen zur neuen Ampelkoalition von SPD, Grünen und FDP auf die Zielgeraden. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik könnte dann mit Olaf Scholz (SPD) ein konfessionsloser Politiker Bundeskanzler werden. Das wird es für die Kirchen nicht einfacher machen, ihre Standpunkte in die öffentlichen Debatten einzubringen: von der nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts notwendig gewordenen Neuregelung der Suizidbeihilfe über ein sich wandelndes Familienbild bis hin zu der Sonderstellung der Kirchen etwa beim Arbeitsrecht.
Neue Chancen für die Arbeit mit der Politik
Zu früheren Zeiten konnte das ZdK stets darauf bauen, immer auch ein paar Bundesminister oder einflussreiche Landespolitiker in den eigenen Reihen zu haben. Doch deren Zahl hat sich bereits in den vergangenen Jahre merklich verringert. Gleichzeitig fehlt es an jüngeren Mitgliedern, die innerhalb und außerhalb der Kirche bereits über ein gewisses Profil verfügen. Das wiederum hängt möglicherweise damit zusammen, dass die Gremienarbeit eher zäh ist und die Strahlkraft der Katholikentage als "Aushängeschild" der ZdK-Arbeit zu verblassen droht.
An offenen Baustellen herrscht also kein Mangel, wenn das Katholikenkomitee sein neues Berliner Kapitel beginnt. Ort der Vollversammlung ist übrigens das Radisson Blu Hotel an der Karl Liebknecht Straße. Dessen Name ist mit dem Ende der Monarchie in Deutschland vor über 100 Jahren verbunden. Eine «Novemberrevolution» braucht das ZdK zwar sicher nicht. Aber ein paar frische Ideen für die Zukunft vielleicht schon.
Joachim Heinz