Es ist eine symbolträchtige Reaktion, die im Vatikan größtes Unbehagen auslöst: Nicaragua hat die diplomatischen Beziehungen zum Heiligen Stuhl ausgesetzt.
Die Regierung des zentralamerikanischen Landes, das seit 2006 vom Sandinisten-Führer Daniel Ortega und seiner Familie geführt wird, habe den Heiligen Stuhl aufgefordert, seine Vertretung im Land zu schließen, hieß es am Montag aus dem Vatikan. Um einen vollständigen Abbruch der Beziehungen handele es sich jedoch nicht.
Ein Zeichen der Extreme
Dass der Schritt ein Indikator für die extreme politische Lage in Nicaragua ist, zeigt ein Blick in die jüngere Geschichte: Nur wenige Länder kappten in Phasen des Umbruchs ihre diplomatischen Leitungen in den Vatikan, und stets ging es dabei um sehr viel.
"Ein sehr bekannter Fall ist Frankreich", sagt der Augsburger Kirchenhistoriker Jörg Ernesti, der unter dem Titel "Friedensmacht" ein Buch über die vatikanische Außenpolitik seit 1870 veröffentlicht hat. Nach dem Sturz von Napoleon III. häuften sich in der liberalen Dritten Republik Frankreichs die anti-kirchlichen Gesetze. Zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen kam es 1904. Auslöser war das Beharren Roms auf der Ernennung der Bischöfe durch den Papst.
Katastrophe für den Vatikan
Der Abbruch der Beziehungen "war für den Vatikan eine ziemliche Katastrophe, weil damals aus Frankreich die weltweit meisten Missionare stammten und das Land auch eine Schutzmacht für die Christen in Palästina war", erklärt Ernesti. Ein Jahr später verabschiedete das Parlament in Paris ein Gesetz zur strikten Trennung von Staat und Kirche. Frankreich war nun ein radikal laizistischer Staat, die Kirche wurde fast völlig enteignet.
Unter dem Eindruck des Ersten Weltkriegs und dank der Friedensbemühungen von Papst Benedikt XV. gelang es dem Heiligen Stuhl, die Beziehungen zu Paris wiederzubeleben. Ab 1921 konnte mit dem späteren Kardinal Bonaventura Cerretti erneut ein Nuntius nach Frankreich entsandt werden.
Bruch für die Freiheit
Ein weiteres Beispiel sind die USA, die 1867 wenige Jahre nach dem Bürgerkrieg ihre diplomatischen Verbindungen zum Vatikan aussetzen. Ein Anlass war der von Papst Pius IX. verfasste "Syllabus errorum" – das "Verzeichnis der Irrtümer", in dem sich das Kirchenoberhaupt ablehnend über Freiheitsrechte und Liberalismus äußert.
"Das hat bei vielen Staaten für Irritationen gesorgt", sagt Ernesti. Erst 1984 nahmen die USA unter Präsident Ronald Reagan – einem konservativen Protestanten – ihre diplomatischen Beziehungen zum Heiligen Stuhl wieder auf. Reagan verband mit dem polnischen Papst Johannes Paul II. das Ziel, die sowjetische Herrschaft über Osteuropa zu Fall zu bringen.
Kommunismus nach dem Zweiten Weltkrieg
Dass kommunistische Staaten ihre Beziehungen zum Vatikan abbrachen, war nach dem Zweiten Weltkrieg der Normalfall. Nach und nach kappten die Ostblock-Staaten ihre diplomatischen Drähte in den Vatikan und unterdrückten die katholische Kirche mehr oder weniger brutal. Erst als die kommunistische Herrschaft bröckelte, wendete sich das Blatt. Schon im Juli 1989 nahm Polen als erstes Land des damals noch bestehenden Ostblocks wieder diplomatische Beziehungen mit dem
Vatikan auf.
Nur inoffizielle Beziehungen
Kompliziert sind die Beziehungen zu China. Nach der kommunistischen Revolution hatte die Volksrepublik China den diplomatischen Vertreter des Vatikans 1951 ausgewiesen. Es blieb eine vatikanische Repräsentanz auf der Insel Taiwan, die im Päpstlichen Jahrbuch weiterhin als Vertretung des Heiligen Stuhls in China bezeichnet wird. Mit den Machthabern in Peking gibt es nur inoffizielle Beziehungen. Immerhin konnte 2018 ein geheimes Abkommen in Kraft treten, das Bischofsernennungen in wechselseitigem Einvernehmen regelt.
In Nicaragua sind der jetzigen Eskalation diplomatische Einschnitte vorangegangen. Das Ortega-Regime, das Regierungskritiker verfolgt und eine Reihe an Organisationen im Land verboten hat, löste auch die Caritas auf. Unbequeme Priester und ein Bischof sitzen im Gefängnis, andere gingen ins Exil. Die Lage ähnelt damit der in Kuba nach der kommunistischen Machtübernahme in den frühen 1960er Jahren, als Hunderte Geistliche das Land verlassen mussten und der Nuntius ausgewiesen wurde. Allerdings brach das Castro-Regime die Beziehungen zu Rom nie komplett ab.