Die Vorwürfe gegen den katholischen Bischof Rolando Álvarez wiegen schwer: Er soll "gewalttätige Gruppen" organisiert haben, um den Staat zu destabilisieren. Das jedenfalls werfen ihm die Strafverfolger des mittelamerikanischen Landes vor und verordneten Anfang August Hausarrest gegen den Geistlichen.
Seither belagern Polizisten den bischöflichen Palast in der Stadt Matagalpa und verhindern, dass Álvarez seinen Sitz verlässt. "Man darf keinen Hass und keinen Zwist säen, im Gegenteil, wir müssen in Frieden, mit Liebe, ohne Hass, Boshaftigkeit, Verbitterung und Gift auskommen", rechtfertigte Vizepräsidentin Rosario Murillo die Maßnahme gegen den Bischof.
Mutter-Teresa-Schwestern ausgewiesen
Die Worte Murillos, die das Land mit ihrem Ehemann und Staatschef Daniel Ortega autoritär regiert, könnten zynischer nicht sein. Seit Jahren geht das Paar gegen alle ihre Kritiker vor: Studierende, Journalisten, Künstler, oppositionelle Politiker und eben auch religiöse Einrichtungen. 150.000 Menschen sind in das Nachbarland Costa Rica geflüchtet, mehr als 1.200 Nichtregierungsorganisationen (NGOs) wurden laut der oppositionellen Zeitung "Confidencial" verboten. Regierungskritiker sitzen mit hohen Strafen in Haft, die UN sprechen von Folter.
In den vergangenen Wochen ist die katholische Kirche besonders ins Fadenkreuz der Regierung der sandinistischen Partei und ehemaligen Guerillaorganisation FSLN geraten. Zwei Pfarrer wurden verhaftet, 16 Missionarinnen des Mutter-Teresa-Ordens des Landes verwiesen.
Polizisten drangen in Pfarrhäuser ein
Anfang August ließ das Regime mehrere Radiosender der Diözese Matagalpa schließen. Polizisten drangen in Pfarrhäuser ein, hielten die Gebäude besetzt und gingen gewaltsam gegen Mitarbeiter sowie Pfarrer vor. Dass Bischof Álvarez von dem Angriff betroffen ist, verwundert nicht: Er gilt als einer der schärfsten Kritiker der Ortega-Regierung.
Ähnlich wie dem Geistlichen wirft das Regime auch den kriminalisierten NGOs vor, den Staat destabilisieren zu wollen. Von einem Verbot betroffen sind Aktive aus allen gesellschaftlichen Bereichen: feministische und indigene Gruppen, Umwelt- und Bildungsinitiativen ebenso wie Unternehmerverbände oder Organisationen, die sich um krebskranke Kinder kümmern. Auch
einflussreiche Menschenrechtsorganisationen wie etwa CENIDH mussten ihre Pforten schließen.
"Das hat eine große Wirkung, weil sie damit die Zivilgesellschaft aushebeln und zerstören wollen, mit allem, was das bedeutet", sagt die Autorin Giaconda Belli, deren Schriftstellerverband PEN ebenfalls nicht mehr im Land arbeitet. Experten des UN-Menschenrechtsrats kommen zu dem Schluss, dass die Maßnahmen "besonders verheerende Folgen" für verletzliche Gruppen haben, etwa Indigene, Frauen und Asylsuchende.
Ortega denunzierte Klerus
Die juristische Grundlage für die Kriminalisierung liefern vor allem Gesetze, die das von der FSLN dominierte Parlament in den letzten Jahren verabschiedet hat. Die Strafverfolger werfen den NGOs vor, Geld von internationalen Gebern zu erhalten, um Terror zu verbreiten und das Regime zu stürzen. Ein Anfang April verabschiedetes Gesetz zur "Kontrolle gemeinnütziger Organisationen" verbietet nun grundsätzlich Kampagnen, die "die öffentliche Ordnung stören" könnten - ein Freibrief für die Sicherheitskräfte.
"Die wichtigste Waffe der Diktatur ist es, Angst und Unsicherheit zu erzeugen", erklärt die CENIDH-Präsidentin Vilma Núñez. Die 83-Jährige hat sich schon für die Menschenrechte eingesetzt, als Ortega noch in der FSLN gegen den Diktator Anastasio Somoza kämpfte. Inzwischen ist der Ex-Guerillero zum vierten Mal in Folge Präsident.
Seit 2018 Oppositionelle massiv gegen das Regime mobilisierten, gehen er und seine Frau besonders scharf gegen sie vor. Seither ist auch das Verhältnis zwischen Regierung und katholischer Kirche zerrüttet. Die Geistlichen sollten damals vermitteln. Doch die Gespräche platzten, nachdem Ortega den Klerus als parteiisch denunzierte, weil Pfarrer Demonstranten Schutz geboten hatten. Bereits damals hätten Álvarez und weitere Priester den gescheiterten Putschversuch angeführt, erklärte jüngst der FSLN-Abgeordnete Wilfredo Navarro. Auf ein faires Verfahren kann der Bischof von Matagalpa kaum hoffen.