Blumen und Gemüse pflanzen, nach einem langen Tag mit Vorlesungen, Sitzungen und Gesprächen: Das entspannt sie, wie Gabriele Kuhn-Zuber erzählt, die neue Präsidentin der Katholischen Hochschule für Sozialwesen (KHSB) in Berlin. "Ich mag es zu sehen, wenn etwas wächst", erklärt die große, schlanke Frau mit kurzem, rotem Haar - und zwar so begeistert, als wühle sie gerade in heimischer Erde in Berlin-Pankow.
Neues Amt
Am Montag wird sie in ihr Amt an der Spitze der KHSB eingeführt. Rund 1.400 Studierende sind zurzeit an der Fachhochschule in Trägerschaft des Erzbistums Berlin eingeschrieben, davon zwei Drittel Frauen. Die Bildungsstätte liegt etwas außerhalb in Berlin-Karlshorst, im ehemaligen Sankt-Antoniter-Krankenhaus. Das Gebäude im Bauhaus-Stil, dessen geflieste Gänge noch immer an Krankentransporte und Operationen denken lassen, ist denkmalgeschützt. Nach dem Zweiten Weltkrieg war es Verwaltungssitz der Sowjetischen Militäradministration und wurde auch als Lager für Kriegsgefangene vor ihrem Transport in die Sowjetunion benutzt.
Das Gelände ist weitläufig. Kiefern im sandigen Boden, Bänke inmitten von ungemähten Wiesen. Kuhn-Zuber schätzt die "familiäre Atmosphäre" der kleinen Hochschule - auch wenn sie bedauert, so weit weg vom Zentrum zu sein. Sie weiß, wie es ist, sich durchzukämpfen. Im thüringischen Suhl ist sie geboren und in einer katholischen Familie aufgewachsen. "Damit hatte ich eine singuläre Stellung: Es gab dort nur rund 300 Katholiken unter 60.000 Einwohnern, an meiner Schule war ich die einzige", erzählt sie. Das Abitur durfte sie nicht machen. Sie hatte an der atheistischen Jugendweihe nicht teilgenommen und somit in der DDR keine Chance dazu. Also wurde sie Krankenschwester, wie ihre Mutter.
Arbeit und Studium
Von dieser Zeit hat sie vor allem "eine gewisse Menschenliebe" mitgenommen, erklärt Kuhn-Zuber. "Es hat mir geholfen, mich zu erden." Und die gute Laune: "Im Krankenhaus hilft es keinem, wenn man auch noch schlecht gelaunt ankommt." Man kann sich gut vorstellen, wie sie Kranke aufgemuntert hat: Ihr herzliches, offenes Lächeln hat sie sich bewahrt. Die katholische Kirche in der DDR-Zeit hat die 53-Jährige sehr positiv in Erinnerung. "Ich habe sie damals als persönlichen Freiraum erlebt: Dort konnte man diskutieren. Das habe ich sehr geschätzt."
Nach der Wende holte Kuhn-Zuber ihr Abitur an der Abendschule nach. Dann wollte sie eigentlich Psychologie studieren, stellte aber - "mehr zufällig" - beim Besuch juristischer Vorlesungen fest, dass ihr die Herangehensweise an Probleme und die klaren, logischen Strukturen sehr gut gefielen. Sie wählte die Rechtswissenschaft. Der bekannte Jurist und Schriftsteller Bernhard Schlink wurde später ihr Doktorvater. Ein "totales Vorbild für mich", betont Kuhn-Zuber: "Seine Art, mit Menschen umzugehen, sich in komplexe Sachen hineinzufinden und in der Wissenschaft auch mal zu streiten." Das versucht sie auch ihren Studenten zu vermitteln: "Nicht einfach alles hinnehmen, sondern die Dinge hinterfragen."
"Wir bilden Menschen aus, die Menschen in Not unterstützen"
An der KHSB ist Kuhn-Zuber seit 2008 Professorin für Rechtliche Grundlagen der Sozialen Arbeit und der Heilpädagogik, sie forscht und lehrt über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Gesetzlich habe sich viel getan, so Kuhn-Zuber und nennt als positive Beispiele die UN-Behindertenrechtskonvention und das Behindertenteilhabegesetz. Bei der praktischen Umsetzung hapere es allerdings. "Wenn ein Rollstuhlfahrer erst um ein Gebäude rumfahren muss, weil die Rampe am Hintereingang ist, dann merkt man sofort: Das ist keine inklusive Gesellschaft", kritisiert die Wissenschaftlerin.
Unterstützt wird Kuhn-Zuber von ihrem Mann, der ebenfalls promovierter Jurist ist, und ihren beiden jungen Söhnen. Das ist für sie wesentlich. "Wenn mein Mann nicht mit meiner Karriere zurechtkäme und sagen würde: Jetzt bist du Professorin und Präsidentin und ich nur Doktor, dann hätten wir ein Problem."
Für ihre vierjährige Amtszeit hat die Präsidentin sich vorgenommen herauszustellen, "wofür wir als katholische Hochschule stehen. Wir bilden Menschen aus, die Menschen in Not unterstützen", sagt Kuhn-Zuber. "Es ist das, was das Christentum ausmacht."