DOMRADIO.DE: In dem Jahr nach der Jugendsynode hat sich in der katholischen Kirche viel getan. Damals hatten Sie sich einen Aufbruch gewünscht, ist davon etwas spürbar?
Thomas Andonie (Vorsitzender des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend): Wir merken, dass sehr viel Veränderung auf weltkirchlicher Ebene passiert. Tatsächlich ist die Jugend nicht nur bei der Synode mal gehört worden, sondern es wird richtig versucht vonseiten des Vatikans darauf zuzugehen. Es wird jetzt auch ein Jugendbeirat im Dikasterium für die Laien, das Leben und die Familie mit vorgeschlagen. Das ist ja schon mal ein erster Schritt in die richtige Richtung. Natürlich weiß jeder, der mit jungen Menschen zu tun hat, dass es vor allem darum geht, junge Menschen für Kirche und Glaube zu begeistern. Ihnen verständlich zu machen, dass Kirche ein Ort sein kann, wo sie auch ein Zuhause finden können, und ihnen einen Ort anbieten zu können, wo sie selber entscheiden können, ob sie dahin gehören oder nicht.
DOMRADIO.DE: Nun waren Sie ja gerade erst bei einem Nachtreffen im Vatikan. In welchen Bereichen verändert sich etwas und was sind die bestimmenden Themen?
Andonie: Wir merken, dass das, was junge Menschen umtreibt, das ehrliche und offene Miteinander – nicht die Autorität als Maßstab –, muss sich auch im täglichen Duktus widerfinden. Mit der Familiensynode angefangen, mit der Jugendsynode und auch der bevorstehenden Jugendsynode – man muss über Probleme diskutieren und nicht nur eine Meinung entgegensetzen. Man muss die Zeichen der Zeit überprüfen, erkennen und dann schauen, was möglich ist.
DOMRADIO.DE: Wie kann die Jugend ihre Stimme denn zu Gehör bringen?
Andonie: Wir merken schon, dass es zum Beispiel in den Jugendverbänden funktioniert. Junge Menschen sind sichtbar, wenn sie gemeinsam unterwegs sind. Die 72-Stunden-Aktion im Mai war auch ein Zeichen, bei dem junge Menschen sehr wirksam waren.
DOMRADIO.DE: Es ging bei der Jugendsynode einmal darum, was junge Christen sich von ihrer Kirche wünschen, aber auch darum, wie man Jugendliche an die Kirche heranführt. Beispielsweise, wie man junge Männer überzeugt, Priester zu werden. Gibt es da neue Ideen?
Andonie: Eine Berufung muss jeder junge Mensch erst mal für sich selber finden. Der junge Mensch muss selber wissen, ob das ein Weg sein kann. Es geht darum, zu unterscheiden und zu begleiten, bei einer Berufung im geistlichen Dienst, als Pfarrer, Pastoralreferentin oder als Ordensschwester. Der Weg ist genauso einer, wie auch der eines Metzgers, eines Bauern oder eines Staatsbeamten. Da geht es darum, zu gucken, wo will Gott diesen jungen Menschen in der Welt sehen, wie können wir ihn begleiten und welche persönlichen Wünsche hat diese Person.
DOMRADIO.DE: Nun wissen wir alle, dass die Mühlen der Kirchen langsam mahlen. Wie schwierig ist es gerade für die jungen Katholiken, am Ball zu bleiben?
Andonie: Es wird ihnen ja nicht immer leicht gemacht. Das kann man ja auch sagen, aber wir merken jetzt mit dem synodalen Weg, der da angeschlagen wird in Deutschland, dass sich da viel verändert. Da merken wir, dass sich Kirche verändert und ein Ort wird, wo man Diskussionen trägt. Ich glaube da merken wir auch, dass erst mal eine Sprachfähigkeit in der Kirche passieren muss und eine Verbindlichkeit bei gemeinsamen Entscheidungen vorhanden sein muss.
Es sind nicht nur die Bischöfe, die entscheiden, sondern wir gemeinsam, das ganze Volk Gottes, insbesondere auch junge Menschen sind Akteurinnen und Akteure und entscheiden mit. Da nehme ich sehr viel Bewegung wahr. In den Jugendverbänden merken wir, dass junge Menschen hadern mit der Kirche, aber trotzdem sagen: Hier lebe ich meinen Glauben. Das wünschen wir uns für die ganze Kirche, nicht nur für einzelne Kirchorte.
DOMRADIO.DE: Wie würden Sie das aktuell bewerten hier in Deutschland: Findet der BDKJ Gehör?
Andonie: Wir nehmen sehr gut wahr, dass wir Gehör finden. Die jungen Menschen, die aktiv sind und auf sich aufmerksam machen, werden bemerkt. Wir sehen auch, dass das, was die jungen Menschen im BDKJ beschließen, keine Einzelmeinung ist, sondern eine Haltung, die die jungen Menschen zusammen entwickeln. Wir sehen die Unterschiedlichkeit als einen Schatz an und entwickeln dann eine Position.
Wenn wir anschauen, wie sich Kirche bezogen auf die Fragen von Beteiligung, Partizipation und Machtteilung entwickelt, dann stellen wir fest, das hat der BDKJ schon vor 25 Jahren beschlossen. Das ist jetzt auch auf alle Ebenen vorgedrungen und da sehe ich schon: Das, was wir sagen, findet Gehör, findet Umsetzung. Aber, wir müssen auch darauf achten, dass die Kirche für diese Prozesse nicht mehr ewig Zeit hat. Die müssen gemeinsam auf Augenhöhe durchgeführt werden. Geistliche, Bischöfe, Laiinnen und Laien, junge Menschen und alte Menschen gemeinsam. Da bin ich gespannt, wie sich das entwickeln wird.
DOMRADIO.DE: "Fridays for Future" bewegt ja aktuell viele Jugendliche auf der ganzen Welt. Spielt das Ganze auch bei ihnen, beim BDKJ, eine Rolle?
Andonie: Ja, natürlich. Seit den 60ern sind wir ganz stark in Verbänden für Ökologie und Nachhaltigkeit unterwegs. Unsere Jugendverbände, die Landjugend, die Pfadfinderinnen und Pfadfinder beschäftigen sich sehr intensiv mit dem Thema. Die Katholische junge Gemeinde hat auch gerade einen Nestlé-Boykott aus Gründen der Nachhaltigkeit und dem Schutz von Menschen beschlossen.
Das Thema treibt uns um und wir freuen uns sehr, dass junge Menschen selbst Initiative zeigen, auf die Straße gehen und ihre Haltung klar machen. Wir in den Jugendverbänden unterstützen das natürlich und bieten selber Möglichkeiten an, den eigenen Anteil an der Ökologie und Nachhaltigkeit zu leisten. Wir weisen Politik, Kirche und Gesellschaft darauf hin, was noch notwendig und möglich wäre. Wir machen aber auch Bildungsarbeit und behandeln Fragen wie: Was bedeutet fairer Handel? Was bedeutet Ökologie? Was ist ein kritischer Konsum? Das kann man alles in Jugendverbänden gut behandeln.
Das Interview führte Moritz Dege.