DOMRADIO.DE: Sie waren als Vertreter der Deutschen Bischofskonferenz auf der Vorsynode in Rom. Wie haben Sie die gesamte Woche erlebt?
Thomas Andonie (Bundesvorsitzender im Bund der Katholischen Jugend): Es war großartig, diese Erfahrungen machen zu dürfen und der Diskurs mit 300 jungen Menschen aus der ganzen Welt war wirklich sehr intensiv. Das ist ja auch sehr selten, dass die Kirche und ganz besonders ein Papst wirklich zuhören und gezielt Fragen an Jugendliche stellen: Was interessiert euch? Die Kirche hört zu und will es wissen.
DOMRADIO.DE: Sie hatten im Vorfeld gesagt: Allein die Tatsache, dass sich die Jugendlichen an der Jugendsynode beteiligen können, ist ein Signal dafür, dass die Kirche Heimat bieten will. Haben Sie denn eine Vorstellung davon bekommen, was für junge Katholiken Heimat sein könnte?
Andonie: Das hat dieses Vortreffen in Rom gezeigt: Die Vorstellungen sind ganz unterschiedlich. Auch Kirche in der Welt ist sehr unterschiedlich. Zum Beispiel in meiner Arbeits- und Sprachgruppe waren junge Menschen aus Indien, aus Simbabwe, aus Tansania und aus Japan. Dort ist Kirche halt sehr, sehr unterschiedlich. Auch wie sie verfasst ist, wie viele Katholikinnen und Katholiken dort leben und wie die Gesellschaft aufgebaut ist. Und das ist eine der großen Lektionen: Kirche muss unterschiedlich Heimat bieten. Sie muss jeden Menschen individuell da abholen, wo er steht. Und das kann sie auch.
Beim Vortreffen in Rom gab es also viele Gemeinsamkeiten, aber auch viele Unterschiede. Die Frage nach der Gleichberechtigung von Frauen war zwar ein ganz, ganz großes Thema über alle Kontinente hinweg. Aber in Deutschland führt man diese Diskussion ganz anders als beispielsweise in Afrika, wo es wirklich darum geht, diese Gleichberechtigung essentiell zu hinterfragen, dass Frauen überhaupt die Möglichkeit haben, ihr Leben zu leben. Papst Franziskus hat ja auch die Jugendsynode unter das Zeichen der Berufung gestellt: Was hindert junge Menschen daran, ihre Berufung zu finden? Nicht nur geistliche Berufe, sondern auch Metzger, Schreinerin oder auch Lehrer. Das ist auch eine Berufung. Das ist natürlich in anderen Ländern der Welt noch viel gravierender als beispielsweise hier in Deutschland. Aber auch da gab es Gemeinsamkeiten: Dass Kirche keine Altherrendemokratie sein kann, sondern junge Menschen hier Gestaltungsräume haben und ernst genommen werden müssen.
DOMRADIO.DE: Frauen brauchen ein anderes Ansehen in der katholischen Kirche. Darüber waren sich die Jugendlichen eigentlich alle einig. Aber wie das aussehen soll, da gehen die Vorstellungen dann doch auseinander. Haben Sie denn eine Position gefunden, die jetzt im Abschlussdokument steht?
Andonie: Es gab dazu keine abschließende Diskussion mehr, weil das unterschiedlich wahrgenommen wurde. Bei manchen Teilnehmern war eine andere Frage dringender. Aber grundsätzlich wird weltweit die Frage nach der Sichtbarkeit von Frauen in der Kirche begleitet. Großer Konsenz war: Die Kirche braucht mehr Frauen in Leitungspositionen. Und das steht auch so im Abschlussdokument. Aber bezüglich des Diakonats der Frau konnte kein gemeinsamer Konsens mehr gefunden werden.
DOMRADIO.DE: Konnte denn eine gemeinsame Position in Bezug auf Umgang mit gleichgeschlechtlichen Partnerschaften gefunden werden?
Andonie: Junge Menschen, die in der Kirche sind, wollen sich nicht aufgrund ihrer Sexualität ausgeschlossen fühlen. Damit beschäftigen wir uns auch sehr im BDKJ. Denn Kirche muss an junge Menschen herangehen, ohne zu werten oder zu urteilen. Und die Kirche muss sich auch langsam mal trauen, das offen zu diskutieren. Mit den jungen Menschen, die vielleicht nicht der Norm entsprechen, die man sich vorstellt, sondern eine gleichberechtigte Art von Liebe leben. Kirche kann nicht sagen, dass sie gnadenreich und barmherzig auf Menschen zugeht, außer sie sind nicht in einer Art und Weise, wie sich Kirche das wünscht. Jeder Mensch muss individuell wahrgenommen und angenommen werden, damit Kirche wieder authentisch und glaubwürdig ist.
DOMRADIO.DE: Nicht nur die Jugendlichen, die in der vergangenen Woche in Rom waren, konnten Vorschläge einbringen, sondern auch 15.000 User einer Facebook-Gruppe. Nennen Sie mal Beispiele. Welche Themen wurden diskutiert?
Andonie: Ganz stark angesprochen wurde unter anderem die Frage nach der Begleitung. Junge Menschen wünschen sich Begleitung und keinen Lehrer oder Lehrerin, die ihnen etwas sagt wie: "So ist der Weg und so gehst du da lang." Junge Menschen wollen selbständig ihren eigenen Glauben entwickeln, aber dann natürlich schon die Möglichkeit haben, Rücksprache zu halten, Menschen zu haben, die nicht die Meinung vorgeben, aber Ihnen helfen, ihre eigene Entscheidung zu finden. Diese Themen haben es auch ins Abschlussdokument geschafft.
Das zeigt, dass die Jugend den Bedarf hat, über kirchliche Themen zu sprechen. Und junge Menschen haben Wünsche, kritische Anregungen, weil ihnen Kirche als Heimat wichtig ist. Das zeigt und bestärkt uns natürlich: Jugendliche interessieren sich für Kirche.
DOMRADIO.DE: Der Vatikan hatte ja auch explizit Jugendliche anderer Religionen und Nichtglaubende eingeladen. Wie ist deren Meinung aufgenommen worden?
Andonie: Ganz gut. Ich habe das in der Sprachgruppe selber erlebt. Da war eine indonesische Muslima und eine – ich glaube – slowenische Atheisten oder zumindest Agnostikerin, die gesagt hat, mit der Kirche könne sie nicht so viel anfangen, aber sie wolle sich das Ganze jetzt mal anhören. Am Anfang hat man schon gemerkt, dass es eine große Skepsis gab. Aber das hat sich dann sehr gut gefügt. Sie haben sich sehr stark in die Diskussion eingebracht. Und es war sehr wertvoll, dass dort noch jemand eine Außenperspektive auf Kirche eingebracht hat.
DOMRADIO.DE: Der BDKJ, in dessen Bundesvorstand Sie sitzen, fordert nach wie vor, dass genau so viele Jugendliche wie Bischöfe an der Jugendsynode im Oktober teilnehmen sollten. Das ist aber eher unrealistisch, oder?
Andonie: Das war sehr spannend. Wir haben in der Diskussion gemerkt, dass das ganz viel andere Menschen genauso sehen. Junge Menschen brauchen eine repräsentative Stimme auf dieser Weltjugendsynode. Wir haben gesehen, dass junge Menschen ganz gut für sich selber sprechen können. Sie brauchen niemanden, der für sie spricht. Das machen sie schon selber. So leben wir das ja auch schon in den Jugendverbänden.
Eine große Mehrheit der jungen Menschen ist dafür, dass eigentlich jeder Bischof quasi von einem jungen Menschen begleitet werden müsste, der repräsentativ für sein Land sprechen kann, um ihn darin zu beraten, was die jungen Leute brauchen. Es war leider aufgrund des Verfahrens nicht mehr möglich, das dann auch in das Dokument einzupflegen.
DOMRADIO.DE: Welches Verfahren?
Andonie: Es war am Ende – muss man leider sagen – sehr intransparent, es gab ein zweites Entwurfsdokument. Daran wurde dann noch mal gearbeitet, aber man hat keine Aussprache oder Rücksprache über diese Änderung halten können. Die wurden dann einfach im Enddokument so festgehalten. Und das wurde dann an den Heiligen Vater weitergegeben.
Das Interview führte Hilde Regeniter.