Katholischer Krankenhausverband kritisiert Forderung nach Klinik-Schließungen

"Nicht zu Ende gedacht"

Die einen sprechen von besserer Versorgung, die anderen von "Kahlschlag". Die Bertelsmann Stiftung empfiehlt in einer neuen Studie, die Hälfte der Kliniken in Deutschland zu schließen. Der Katholische Krankenhausverband sieht das kritisch.

Diskussion um Krankenhausschließungen / © Werner Krüper (epd)
Diskussion um Krankenhausschließungen / © Werner Krüper ( epd )

DOMRADIO.DE: Was sagen Sie zu der Forderung, die Zahl der Krankenhäuser so drastisch zu reduzieren? Die 400 katholischen Kliniken in Deutschland wären ja möglicherweise auch von Schließungen betroffen.

Ingo Morell (Stellvertretender Vorsitzender des Katholischen Krankenhausverbands Deutschland e.V.): Die Forderung der Verfasser der Bertelsmann-Studie ist tatsächlich sehr, sehr massiv. Vom Grundsatz her muss man aber sagen: Die Diskussion über die Schließung von Krankenhäusern und die Diskussion über die Zahl der Krankenhäuser ist ja nicht neu und wird seit Jahren geführt. Seit Jahren passiert auch im Krankenhausbereich ganz viel. Es ist nicht so, als ob wir die Studie bräuchten, um zu erkennen, dass sich da etwas bewegen muss. Von daher ist die Studie für mich nur ein Punkt in der ganzen Diskussion.

DOMRADIO.DE: Der Vorschlag stößt erst einmal vielfach auf Unverständnis. Ist es aber möglicherweise doch sinnvoll, Kapazitäten an großen Häuser zu bündeln? Könnten Patienten tatsächlich von einer gebündelten Kompetenz profitieren?

Morell: Das Entscheidende an dieser Fragestellung ist die sinnvolle Bündelung. Und sinnvolle Bündelung kann, glaube ich, nur passieren, wenn wir uns regional die Versorgungssituation der Menschen angucken: Sie haben im Hochsauerlandkreis sicherlich eine andere Situation als im Stadtgebiet Köln. Dazu kommt noch: Man kann auch anders über sinnvolle Bündelungen nachdenken, als nur durch Konzentration an großen Häusern.

Ein Beispiel: Auch katholische Krankenhäuser haben sich immer mehr zu Verbünden zusammengeschlossen, wo einzelne Häuser sich spezialisieren. Bei uns in der Region ist es so: Ein Haus hat eine "Stroke Unit" - sprich, ist für die Schlaganfall-Versorgung zuständig. Und die anderen Häuser haben eine solche Abteilung nicht. Hier findet also faktisch eine Konzentration statt, die aber so in den Statistiken gar nicht auftaucht.

DOMRADIO.DE: Über Schlaganfall wird natürlich als erstes gesprochen. Da heißt es immer, es zähle jede Minute. Zum einen ist es da natürlich wichtig, dass ein Patient kompetent versorgt wird. Auf der anderen Seite stellt sich aber gerade auf dem Land die Frage: Wie weit muss ein Patient fahren, um versorgt zu werden?

Morell: Auch hier tue ich mich mit der Studie schwer, weil sie die reale Welt nicht wirklich berücksichtigt. Nehmen wir die Modellregion, die dort angesprochen wird: Köln und der Oberbergische Kreis. Hier gibt es klare Absprachen mit dem Rettungsdienst, dass Schlaganfall-Patienten oder auch Herzinfarkt-Patienten in die dafür zuständigen Zentren gefahren werden. Also, in ein normales Haus wie bei zum Beispiel nach Engelskirchen im Oberbergischen Kreis kommt der Herzinfarkt-Patient normalerweise gar nicht. 

DOMRADIO.DE: Und was ist zum Beispiel, wenn eine Frau schwanger ist, sie hat Wehen und es wird wirklich dringend?

Morell: Da ich diese Situation in der eigenen Lebenssituation schon hatte, möchte ich sie keinem wünschen. Eine ortsnahe Versorgung wäre mit diesem Konzept natürlich überhaupt nicht mehr realisierbar. Und man darf nicht vergessen: Wir haben nicht nur Schlaganfall oder Herzinfarkt, was in weiten Teilen Deutschlands gut geregelt ist. Sondern wir haben ja auch die ganz normale Krankenhausversorgung, wie etwa die geriatrische Versorgung. Die Umsetzung der Studien-Empfehlungen würde nämlich bedeuten, dass auch geriatrische Patienten nur noch in großen Krankenhäusern versorgt werden und dass dann auch die Fahrten der Angehörigen viel weiter werden. Ich weiß nicht, ob das zu Ende gedacht ist.

DOMRADIO.DE: Wie realistisch ist es denn jetzt überhaupt, dass die Forderung der Bertelsmann-Stiftung wirklich umgesetzt wird?

Morell: Unabhängig von der Frage, ob diese Umsetzung sinnvoll ist, glaube ich, dass es an einem einzigen Punkt scheitern wird: Um dieses Vorhaben umzusetzen, müsste man Milliarden investieren, um neue Krankenhäuser zu bauen. Und da schaue ich mal, wie die Investitionskostenfinanzierung derzeit ist: sehr mangelhaft.

DOMRADIO.DE: Sollte der Vorschlag umgesetzt werden, wer würde dann beschließen, welche Krankenhäuser geschlossen würden? Sie sind für das Sankt-Josef-Krankenhaus in Engelskirchen zuständig. Würden Sie dann auch das schließen müssen?

Morell: Noch gibt es in Deutschland Gesetze und die Krankenhausplanung obliegt den jeweiligen Ländern. Am Ende des Tages entscheiden die Länder darüber, welches Krankenhaus geschlossen wird. Die Krankenkassen und auch die Krankenhausträger können Vorschläge machen. Das passiert im übrigen auch - auch Krankenhausträger machen Vorschläge für Schließungen. Sollte das Sankt-Josef-Krankenhaus in Engelskirchen geschlossen werden, frage ich mich, wie die ländliche Versorgung dann sichergestellt werden kann. Ich sehe das nicht.

DOMRADIO.DE: Wie sollte diese Diskussion um Krankenhausschließungen Ihrer Ansicht nach weitergeführt werden?

Morell: Ich finde, sie sollte noch mehr auf eine Sachebene kommen und man sollte den regionalen Aspekt nicht vergessen. Ich finde es schwierig, aus Berlin, Hamburg oder wo auch immer flächendeckend für ganz Deutschland Vorgaben zu machen. Ich finde, man muss sich die einzelnen Regionen angucken. Dort muss man in der Tat aber auch konsequent sein und den einen oder anderen Standort vielleicht sogar schließen. Dem würden wir gar nicht widersprechen. Aber es sollte regional abgewogen passieren - im Sinne der Versorgung der Menschen vor Ort. 

Das Interview führte Dagmar Peters.


Quelle:
DR