Niederländischer Ministerpräsident lässt sich von türkischen Beleidigungen nicht beeindrucken

Wahlkampf in den Niederlanden

Die Niederländer wählen am Mittwoch ein neues Parlament. Das Thema Religion dominierte den Wahlkampf. Nun befeuert der türkische Staatspräsident die angespannte Stimmung, doch der niederländische Ministerpräsident Rutte bleibt ruhig.

Autor/in:
Franziska Broich
Geert Wilders und der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte. / ©  Peter Dejong (dpa)
Geert Wilders und der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte. / © Peter Dejong ( dpa )

"Es steht außer Frage, dass es eine Entschuldigung gibt", sagte der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte am Sonntag bei einer Wahlkampfveranstaltung. Gemeint war die Türkei. Am Wochenende hatten die Niederlande, die türkische Familienministerin, Fatma Betül Sayan Kaya, ausgewiesen. Dem Außenminister Mevlüt Cavusoglu verwehrten sie die Einreise mit dem Flugzeug. Der türkische Staatspräsident, Recep Tayyip Erdogan, hatte die Niederländer daraufhin "Nachfahren der Nazis" und "Faschisten" genannt.

Rutte hielt dagegen. Im Zweiten Weltkrieg seien die Niederländer von den Nazis bombardiert worden, betonte er. Für Rutte steht bei den Wahlen am Mittwoch einiges auf dem Spiel. In den letzten Zügen des Wahlkampfs ging es vor allem darum, seinem größten Widersacher, dem Rechtspopulisten Geert Wilders, keine Angriffsfläche zu bieten. Immerhin in den vergangenen Wochen verlor Wilders kontinuierlich in den Umfragen.

Folgenreicher Vergleich

Religion war eines der großen Themen im Wahlkampf. Wilders sorgte zuletzt für Aufregung, weil er den Koran mit Hitlers "Mein Kampf" verglich. Der Rechtspopulist sagte in einem TV-Interview, der Islamismus sei womöglich "noch gefährlicher" als die Nazi-Ideologie. Moscheen nannte er "Nazi-Tempel". Im Programm seiner Partei werden ein Koran-Verbot und die Schließung von Moscheen gefordert.

Wie Wilders solche Forderungen umsetzen will, erklärt er nicht. Der Koran solle nicht aus den Häusern geholt werden - aber er solle nicht mehr verkauft werden. Und er weiß natürlich, dass Texte auch im Internet hochgeladen werden können. Das Verbot sei zum Teil symbolisch gemeint, sagt Wilders selbst.

Instrumentalisierung des Christentums

Im Gegenzug machten etwa 30 Theologen, Geistliche und Journalisten auch das Christentum zum Thema. Sie wehren sich dagegen, dass die Rechtspopulisten es für ihre Zwecke instrumentalisieren. Kirchenvertreter und Akademiker unterzeichneten eine Petition mit dem Titel "In der Tat: Lang lebe unsere christliche Kultur". "Eine Kirche ist keine politische Partei; eine politische Partei ist keine Kirche", heißt es im ersten Absatz der Petition. Unterschrieben wurde sie etwa vom Bischof von 's-Hertogenbosch, Gerard de Korte, der Präsidentin der evangelischen Kirche, Karin van den Broeke, und vom altkatholischen Erzbischof von Utrecht, Joris Vercammen.

Hinweise zur Wahl

Zuletzt riefen die katholischen Bischöfe in den Niederlanden in einem Hirtenwort ihre Mitglieder auf, sich an den Wahlen zu beteiligen. "Die Abstimmung ist ein Recht und ein Privileg, weil wir in einer demokratischen Gesellschaft leben", schreiben sie in einer Erklärung zur Wahl. Eine Wahlempfehlung wollten sie nicht geben, aber einige Hinweise. In ihrem zweiseitigen Papier sprechen sie die für die Kirche wichtigsten Themen an. In den Niederlanden zählt dazu besonders der "Respekt für das Leben". Denn anders als in Deutschland ist dort seit 2002 die aktive Sterbehilfe erlaubt. Zudem machen sie auf die Freiheit der Religion und des Glaubens als zentralen Wert aufmerksam.Ihr Aufruf endet mit einem Zitat von Papst Franziskus: "Prüfe genau die Vorschläge, bete und wähle entsprechend deinem Gewissen!"

Mediale Zurückhaltung der katholischen Bischöfe 

Im domradio.de-Interview sagte Pastor Bart Versteegen von der deutschsprachigen Gemeinde in Den Haag, dass die katholischen Bischöfe in den niederländischen Medien eher wenig präsent sind und sich mit öffentlichen Auftritten zurückhalten. Auch die Katholiken in den Niederlanden seien gegenüber Geert Wilders und seiner Partei gespalten. Allerdings stellten sich die niederländischen Bischöfe in ihrem Hirtenbrief ganz klar zur Religionsfreiheit.

Auch muslimische Verbände riefen ihre Mitglieder auf, an den Wahlen teilzunehmen. Der Vorsitzende des Moschee-Dachverbands in den Niederlanden, Contactorgaan Moslims en Overheid (CMO), Rasit Bal, rief Muslime auf, von ihrem Stimmrecht Gebrauch zu machen. Er sagte der Katholischen Nachrichten-Agentur Anfang März, dass viele Muslime verängstigt seien. "Die steigende Zahl fremdenfeindlicher Übergriffe gegen Muslime und die Stärke der rechtspopulistischen Partei PVV schüchtern sie ein." Verbale und körperliche Angriffe auf muslimische Frauen hätten zugenommen. Immer wieder habe es auch Angriffe auf Moscheen gegeben. Die Muslime in den Niederlanden seien besorgt über ihre Zukunft.

Rechtsliberale liegen leicht vorn

Laut der Internetseite "Peilingwijzer", die sich auf sechs Umfragen von Sonntag stützt, liegt die rechtsliberale VVD von Ministerpräsident Mark Rutte derzeit leicht vor der PVV. Die VVD könnte mit 23 bis 27 Sitzen der 150 Sitze Unterhaussitze rechnen (16 Prozent). Die PVV käme derzeit auf 19 bis 23, was etwa 13 Prozent der Stimmen entspräche. Während die PVV in den vergangenen Wochen Sitze verlor, blieben die Umfragewerte für die VVD seit einigen Wochen konstant.


Schild mit der Aufschrift "Wahllokal" / © Bas Czerwinski (dpa)
Schild mit der Aufschrift "Wahllokal" / © Bas Czerwinski ( dpa )
Quelle:
KNA , DR