Nigeria bereitet sich auf eine schwierige Abstimmung vor

Wahlen im Schatten von Boko Haram

Rekord in Nigeria: Mehr als 84 Millionen Menschen haben sich ins Wahlregister eintragen lassen. Doch die Wahlen im Februar und März stellen das Land vor große Schwierigkeiten.

Autor/in:
Katrin Gänsler
Plakate mit Muhammadu Buhari. Im Frühjahr 2019 sollen erneut Präsidentschaftswahlen in Nigeria stattfinden. / © Michael Kappeler (dpa)
Plakate mit Muhammadu Buhari. Im Frühjahr 2019 sollen erneut Präsidentschaftswahlen in Nigeria stattfinden. / © Michael Kappeler ( dpa )

Kwajah Yaddasada hat eine kleine, blau-weiß-grüne Karte vorsichtig in ein Stück Stoff gewickelt und achtet genauso darauf wie auf ihr Handy und ihr Portemonnaie. Erst gestern hat sie die Karte in Yola, der Provinzhauptstadt des Bundesstaates Adamawa, erhalten und wochenlang dafür gekämpft. Sie ist eine Art Ausweis, mit dem die 35-Jährige am 16. Februar einen neuen Präsidenten wählen darf.

Zwei Wochen später stehen in Nigeria die Wahlen in den einzelnen Bundesstaaten an. "Mir war sehr wichtig, eine Wählerkarte zu bekommen. Ich möchte den Wandel in Nigeria. Hier müssen gute Dinge passieren."

Wahlen wurden schon oft verschoben

Im einwohnerreichsten Staat und der größten Volkswirtschaft Afrikas haben sich mehr als 84 Millionen Wähler registrieren lassen. Vor vier Jahren waren es noch knapp 69 Millionen. Vorbereitet werden müssen die Wahlen in 774 Landkreisen - ein großer logistischer Aufwand, der oft viele Probleme mit sich brachte. 2011 wurden die Wahlen spontan um eine Woche verschoben, 2015 gar um sechs Wochen.

Dieses Mal verliefen die Vorbereitungen generell gut, sagt Samson Itodo, Leiter der nichtstaatlichen Organisation Yiaga ("Jugendinitiative für Interessenvertretung, Wachstum und Fortschritt") in der Hauptstadt Abuja. Allerdings sei zu fragen, "ob wirklich jeder, der möchte, auch an den Wahlen teilnehmen kann".

Erinnerungen an die Flucht

In Nigeria - wie in vielen anderen Ländern Afrikas - erhalten Volljährige nicht automatisch Wahlbenachrichtigungen von ihren Kommunen, mit denen sie ins Wahllokal gehen können. Die Stimmabgabe setzt eine Registrierung und die Wählerkarte voraus. Das ist oft ein mühsamer Prozess, den auch Kwajah Yaddasada in Yola auf sich genommen hat. "Zuerst wollten sie mich gar nicht ins Gebäude lassen. Ich bin mehrmals hingegangen und manchmal zurück ans Ende der Warteschlange geschickt worden."

Nötig wurde die neue Wählerkarte für die junge Frau wegen der Terrorgruppe Boko Haram. 2014 war Kwajah Yaddasada vor den Terroristen aus ihrem Landkreis Madagali geflohen, der an den Nachbarbundesstaat Borno grenzt; sie verlor dabei all ihre Dokumente. Die Flucht wird sie nie vergessen. "In unserer Gruppe war eine hochschwangere Frau. Wir versteckten uns in einem Wald; da setzten die Wehen ein. Sie durfte keinen Laut von sich geben. Es ist ein Wunder, dass das Kind gesund auf die Welt kam und wir es bis nach Yola geschafft haben."

Viele Menschen nicht registriert

Das Amt für Nothilfekoordination der Vereinten Nationen (OCHA) geht für den Nordosten Nigerias bis heute von mehr als 1,8 Millionen Binnenflüchtlingen aus. 80.000 hätten die Region allein seit November verlassen. Längst nicht alle haben sich neu registrieren können. Eine Rückkehr kurz vor dem Wahltag ist aus Sicherheitsgründen oft ausgeschlossen und wäre für viele auch kaum bezahlbar.

Zudem haben sich in den vergangenen Wochen wieder mehr Menschen in die Nachbarländer retten müssen. Nach Einschätzung des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) sind aktuell 5.000 Menschen aus Rann ins Nachbarland Kamerun geflohen.

"Um uns kümmert sich hier niemand"

Am Montag wurde Informationsminister Lai Mohammed in den Medien zitiert; gut drei Wochen vor den Wahlen gebe es Informationen, dass Boko Haram und Banden mobilisiert worden seien, um schwere Angriffe auszuführen. Das klingt nach Wahlpropaganda, um die Opposition zu diskreditieren - die dafür verantwortlich gemacht wird. Dennoch ist die Sicherheitsfrage eine entscheidende.

Die Denkfabrik International Crisis Group mit Sitz in Brüssel fordert im aktuellen Nigeria-Bericht, schärfere Sicherheitsmaßnahmen und bessere Koordination. Politiker, die aufwieglerische Rhetorik gebrauchen, seien zu sanktionieren.

In Madagali steht der 58-jährige Ibrahim Hamba am Straßenrand. Auf die Frage nach den Wahlen winkt er ab. Sicherheit sei nötig, sagt er. Wichtig sei aber auch, dass die von Boko Haram zerstörten Gebiete endlich wiederaufgebaut werden. "Wir haben weder Wasser noch Häuser. Um uns kümmert sich hier niemand."

 


Quelle:
KNA