Normalbetrieb kehrt in Jerusalem bis auf Touristen zurück

Keine Warteschlangen am Heiligen Grab

Während in etlichen Teilen Jerusalems trotz des anhaltenden Nahost-Kriegs wieder Alltag eingekehrt ist, fehlen in der Altstadt Touristen. Besonders schwierig ist die Lage für Christen vor Ort. Denn viele sind abhängig von Pilgern.

Autor/in:
Johannes Schidelko
Menschenleerer Platz vor Grabeskirche  / © Andrea Krogmann (KNA)
Menschenleerer Platz vor Grabeskirche / © Andrea Krogmann ( KNA )

Auf der Anzeigetafel in der Ankunftshalle sind nur vier Flüge angezeigt. Bei der Kontrolle für "ausländische Pässe", vor der sonst lange Schlangen den Einreisenden die Geduld rauben, warten gerade einmal zwei Passagiere, mit Abstand folgen drei weitere. 

Wer in diesen Tagen über den Ben-Gurion-Flughafen nach Israel einreist, hat in der Regel dringende dienstliche oder familiäre Verpflichtungen, Tourismus oder Pilgerfahrten tendieren gegen Null.

Als plötzlich eine Sirene ertönt und Lautsprecherdurchsagen auf einen Raketenalarm hinweisen, wird der Grund für den Ausnahmezustand eindrücklich klar. Die Ankömmlinge werden in einen Schutzraum neben der Zollstelle geschickt. 

Anders als im Gazastreifen fast kein Alarm in der Stadt

Dort lamentieren israelische Rückkehrer, dass der Alarm von ihrer App überhaupt nicht angezeigt werde. Nach und nach verlassen die in Sicherheit gebrachten Personen den Shelter wieder. Diesmal war es nur Fehlalarm.

Während im Süden Israels und vor allem nahe am Gazastreifen wegen der Hamas-Raketen tagsüber fast stündlich die Sirenen heulen, hat sich die Bedrohung für Jerusalem abgeschwächt. Zuletzt gab es dort vor rund zwei Wochen einen Alarm. Besonders im jüdischen Westteil Jerusalems verläuft das Leben wieder weitgehend normal, Geschäfte sind geöffnet, Restaurants gut besucht.

Sicherheitskräfte in Jerusalem / © Andrea Krogmann (KNA)
Sicherheitskräfte in Jerusalem / © Andrea Krogmann ( KNA )


In der Altstadt spürt man indes das Fehlen der Touristen. Wo sonst ständiges Gedränge herrscht, sind in den engen Gassen des Suk-Marktes praktisch nur Einheimische unterwegs. 

Die Händler der Souvenirgeschäfte warten auf Kunden, die nicht kommen. In vielen Läden sind die Metall-Jalousien geschlossen oder werden nur stundenweise geöffnet.

Immerhin gibt es kleinere Besuchergruppen 

Auf dem Vorplatz der Grabeskirche, der Hotspot nicht nur christlicher Jerusalem-Besucher, herrscht gähnende Leere. Abgesehen von zwei Polizisten, die von einer Steinbank aus Wache schieben. Selbst am leeren Heiligen Grab gibt es keine Warteschlangen. 

Sogar die orthodoxen Mönche, die sonst gestenreich den Besucherandrang vor der niedrigen Kammer regeln, sind abgezogen. Nur ein bis zwei Dutzend Besucher verteilen sich in dem verwinkelten Gotteshaus. Am Salbungsstein beten drei Russen, anschließend fotografieren sich zwei Philippinerinnen - alle sind Angestellte Jerusalemer Hotels.

 Modell der Grabeskirche am 23. Mai 2023 im Christian Information Center in Jerusalem / © Andrea Krogmann (KNA)
Modell der Grabeskirche am 23. Mai 2023 im Christian Information Center in Jerusalem / © Andrea Krogmann ( KNA )

Allerdings sei der Pilgertourismus nicht komplett eingebrochen, versichert man im Christian Information Office am Jaffa-Tor zur Jerusalemer Altstadt. Es gebe immer wieder kleinere Besuchergruppen - etwa aus Portugal. 

Und derzeit kämen regelmäßig christliche Besuchergruppen aus Indonesien, die an ihrer Vier-Länder-Reise durch Ägypten, Jordanien, den Palästinensergebieten und Israel festhielten. Eine Reisewarnung wie in Deutschland bestehe nicht in allen Ländern, hört man.

Christen denken an Auswanderung

Nach drei Wochen Schockstarre, als viele Bereiche des öffentlichen Lebens gelähmt waren, herrsche in der Stadt jetzt wieder ein Zustand wie zuvor, sagen Landeskenner. Aber in etlichen Bereichen wird als Folge der Einberufung von Reservisten ein Personalmangel spürbar. Zum Beispiel beim Lieferservice für die Pizza, der ewig auf sich warten lässt. 

Auffallend sind im Stadtbild unterdessen die vielen bewaffneten Zivilisten. Der rechtsextreme Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir hat die Waffenausgabe an Israelis erleichtert, und seit Kriegsbeginn seien 23.000 Schusswaffen ausgegeben worden, berichten lokale Medien.

Olivenholzschnitzer Jack Giacaman (KNA)
Olivenholzschnitzer Jack Giacaman / ( KNA )

Angespannt sei die Lage für die Christen in der Gegend, heißt es in Kirchenkreisen. In den geschrumpften Christengemeinden in der Region Bethlehem denken inzwischen weitere an eine Auswanderung, betont ein Franziskanerpater. 

Die zum Großteil vom Pilgertourismus abhängigen Christen, die als Holzschnitzer, Reiseführer oder Hotelbedienstete ihren Unterhalt bestreiten, haben keine Beschäftigung und kein Einkommen. Folglich soll das bevorstehende Weihnachtsfest im Heiligen Land zwar wie gewohnt mit Gottesdiensten in Gedenken an die Geburt Christi begangen werden, aber ohne große öffentliche Feste. 

Grabeskirche in Jerusalem

Grabeskirche in Jerusalem (epd)
Grabeskirche in Jerusalem / ( epd )

Die Grabeskirche  im christlichen Viertel in der Jerusalemer Altstadt wurde ursprünglich 325 nach Christus unter Helena, der Mutter des römischen Kaisers Konstantin, erbaut. Sie soll sich der Überlieferung nach an der Stelle befinden, wo Christus nach seinem Tod am Kreuz beerdigt wurde und wieder auferstand. 

Quelle:
KNA