DOMRADIO.DE: Sie sind die stellvertretende Superintendentin des Kirchenkreises Tempelhof Schöneberg. Warum ist es Ihnen so wichtig, auch 20 Jahre nach dieser Tsunami-Katastrophe in Südostasien noch daran zu erinnern?
Martina Steffen-Eliš (Pfarrerin): Uns ist es wichtig, dass die Namen der Opfer aus Berlin und Brandenburg nicht vergessen werden. Denn wenn die Namen nicht vergessen sind, ist auch das Leid der Menschen nicht vergessen.
DOMRADIO.DE: Sie waren nach dem Tsunami 2004 als Notfallseelsorgerin im Einsatz. Sie haben damals vor allem die Angehörigen der Opfer hier in Deutschland betreut. Welche Erinnerungen haben Sie daran heute noch?
Martina Steffen-Eliš: Ich habe auch heute noch, nach 20 Jahren, sehr lebendige Erinnerungen. Bei einem Empfang, zu dem der damalige Bundespräsident Horst Köhler, seine Frau Eva und der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder eingeladen hatten, wurden wir als Notfallseelsorgerinnen und Notfallseelsorger angefragt, die Angehörigen zu betreuen. Ich habe dann eine Frau aus Düsseldorf begleitet, die ihren Mann und ihre zwei Kinder verloren hatte.
DOMRADIO.DE: Wie geht man als Notfallseelsorgerin mit so einer Katastrophe und ihren Folgen um? Was sagen Sie denen, die so etwas erlebt und geliebte Menschen verloren haben?
Steffen-Eliš: Damals ging es gar nicht nur darum, Trost zu spenden. Diese Katastrophe war für die Menschen eine sehr surreale Situation. Es war Weihnachtsstimmung, eine Stimmung der Freude und der Leichtigkeit. Und mitten in diesem Urlaub, in dieses Hochgefühl, brach die Hölle über diese Menschen hinein.
Es ging um das Aushalten der Situation. Es ging ums Zuhören und darum, den Menschen beizustehen.
DOMRADIO.DE: Was haben ihnen die Menschen erzählt?
Steffen-Eliš: Sie haben erzählt, wie furchtbar es war, diese Situation zu erleben. Sie waren dorthin gefahren, um sich zu erholen, um zu entspannen. Und dann brach diese riesige Naturkatastrophe über sie hinein. Aber Sie haben auch von der unglaublichen Hilfsbereitschaft der Menschen vor Ort erzählt.
DOMRADIO.DE: War den Menschen sofort klar, was in diesem Moment passiert ist?
Steffen-Eliš: Nein, den meisten war das überhaupt nicht klar. Niemand hatte einen Begriff davon, was ein Tsunami ist und wie er sich ankündigt.
DOMRADIO.DE: 230.000 Todesopfer, darunter viele Kinder, Millionen Menschen haben ihr Hab und Gut verloren. So mancher hat sich gefragt, warum Gott so was zulassen kann. Haben Sie darauf eine Antwort gefunden?
Steffen-Eliš: In der ersten Phase haben die Menschen diese Frage noch gar nicht gestellt. Die kam erst später auf. Mein Kollege Pfarrer Jörg Kluge hat als Notfallseelsorger eine Selbsthilfegruppe initiiert: "Hoffen bis zuletzt". Da kamen diese Fragen natürlich auch. Ich persönlich glaube, dass Gott an unserer Seite steht. Im Guten natürlich, aber auch im Leid.
DOMRADIO.DE: Was wird in der Dorfkirche Tempelhof bei der Gedenkveranstaltung passieren?
Steffen-Eliš: Wichtig ist, dass die Namen der 43 Verstorbenen aus Berlin und Brandenburg verlesen werden. Wir hören Texte aus der Bibel, den Psalm 22 zum Beispiel. Wir hören Musik und gehen im Anschluss an den Gottesdienst dann gemeinsam zur Erinnerungsstelle auf den Friedhof und legen dort Kränze nieder. Wir haben nur zu einem geringen Teil der Angehörigen Kontakt. Aber häufig ist es auch für die Angehörigen wichtig, dass für die Verstorbenen Kerzen angezündet werden.
Das Interview führte Carsten Döpp.