Mehrere Hundert Menschen warten auf Schiffen im Mittelmeer auf ihre Zufahrt in einen sicheren Hafen. Das zivile Seenotrettungsschiff "Sea-Watch 4" rettete am Montag erneut rund 100 Menschen vor der libyschen Küste aus Seenot. Wie die Organisation Sea-Watch mitteilte, führte die Besatzung des Schiffs in den frühen Morgenstunden die dritte Rettungsoperation innerhalb von 48 Stunden aus und hat inzwischen mehr als 200 Menschen an Bord. Auf dem Frachter "Etienne" warten 27 Menschen vor Malta auf ihre Ausschiffung. Der Rote Halbmond barg unterdessen 22 Leichen an der libyschen Küste, die Toten sind mutmaßlich Opfer eines Bootunglücks.
Zeichen für Notwendigkeit ziviler Seenotrettung
"Sea-Watch 4" hatte in der Morgendämmerung mit der Evakuierung der Menschen begonnen. Alle seien nun sicher an Bord, hieß es. "Dass wir in weniger als 48 Stunden zwei weitere Boote aus Seenot retten konnten, zeigt erneut die Notwendigkeit ziviler Seenotrettung vor Ort", sagte Einsatzleiter Philipp Hahn. Das Schlauchboot mit etwa 100 Menschen an Bord trieb rund 50 Seemeilen vor der libyschen Küste und hatte in der Nacht einen Notruf abgesetzt. Zunächst hatte ein Öltanker das Boot lokalisiert. Ein kleineres Schiff brachte Rettungswesten zu den Geflüchteten und beobachtete die Lage bis zum Eintreffen der "Sea-Watch 4".
Die meisten der geretteten Personen seien schwach und desorientiert, hätten stark nach Benzin gerochen und Symptome einer Kraftstoffinhalation gezeigt. Über 90 Personen benötigten nach Angaben von Sea-Watch Notduschen, da sie in Kontakt mit dem Treibstoff des Bootes gekommen waren, der schädliche Dämpfe erzeugt und in Verbindung mit Salzwasser stark ätzend ist. Zudem seien die Geretteten seekrank und dehydriert. Die "Sea-Watch 4" hat nach Angaben einer Sprecherin sowohl Italien als auch Malta über die Seenotrettungsfälle informiert und um die Zuweisung eines sicheren Hafens gebeten.
Bedford Strohm: Menschen werden auf mehrere Länder verteilt
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, sagte dem Radiosender Bayern 2 am Montag, er gehe davon aus, dass die von der "Sea-Watch 4" geretteten Flüchtlinge rasch einen europäischen Hafen zugewiesen bekommen und auf mehrere Länder verteilt werden. Von der Bundesregierung erwarte er, "dass sie sich dafür einsetzt, dass wenn Menschen da gerettet worden sind, es nicht wieder ein wochenlanges Geschacher gibt."
Das überwiegend aus kirchlichen Spenden finanzierte Rettungsschiff ist seit Mitte August auf seiner ersten Rettungsmission im Mittelmeer unterwegs. Hinter der "Sea-Watch 4" steht das Bündnis
"United4Rescue", das das Schiff im Januar für rund 1,3 Millionen Euro ersteigert hatte. Zu dem Unterstützerbündnis "United4Rescue" gehören auch die rheinische, westfälische und lippische Landeskirche sowie einzelne Kirchengemeinden. Der Vorstand des Diakonischen Werks Rheinland-Westfalen-Lippe (RWL), Christian Heine-Göttelmann, unterstrich die Bedeutung des Bündnisses "United4Rescue". "Wir sehen, worauf wir all die Monate gewartet haben", betonte er. "Dennoch: diese Bilder der Geretteten erinnern uns daran, dass wir uns die Frage stellen müssen, wo die Geflüchteten eine neue Zukunft finden." Eine gemeinsame europäische Lösung sei unverzichtbar. "Wir hoffen, dass die Geretteten schnell in einen sicheren Hafen kommen und dann auf mehrere Länder verteilt werden", unterstrich der
Theologe. In Nordrhein-Westfalen sei die Bereitschaft da, Geflüchtete aufzunehmen. Jedoch müsse die Bundesregierung dies den Kommunen ermöglichen.