Integrationsminister Rainer Schmeltzer (SPD) sagte dem "Kölner Stadt-Anzeiger", wegen der vielen türkisch-stämmigen Bürger sei damit zu rechnen, dass auch Erdogan in NRW für seine umstrittene Verfassungsreform werben wolle. Die Landesregierung wolle "keine solchen Veranstaltungen, die den Keil der Spaltung weiter in unsere Gesellschaft treiben".
Landesregierung rechtlich die Hände gebunden
Rechtlich seien der Landesregierung aber die Hände gebunden, sagte Schmeltzer. Diplomatisch sei hier zunächst die Bundesregierung gefordert. Erdogan war für Wahlkampfauftritte 2008 und 2014 in die Kölner Lanxess-Arena gekommen. Ministerpräsident Yildirim hatte am Samstag in der Oberhausener König-Pilsener-Arena vor rund 9.500 Anhängern für die Verfassungsreform geworben, über die in einem Referendum am 16. April auch in Deutschland lebende Türken abstimmen können. Damit will Erdogan das parlamentarische System in der Türkei durch ein Präsidialsystem ersetzen.
Schmeltzer nannte es "geradezu skurril, dass der türkische Ministerpräsident keinerlei Skrupel hat, von unserer Demokratie und den Freiheitsrechten in Deutschland zu profitieren, während die türkische Regierung im eigenen Land Oppositionelle und Regierungskritiker hinter Gitter bringt". Die Landesregierung habe mit einer solchen Veranstaltung "arge Bauchschmerzen", wegen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit sei ein Verbot aber nicht möglich gewesen.
Die Linken-Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht kritisierte, dass die Bundesregierung den Yildirim-Auftritt nicht verhindert hat. "Es ist eine weitere Unterwerfungsgeste gegenüber Erdogan, dass Merkel den Propagandafeldzug des türkischen Ministerpräsidenten in Deutschland ermöglicht hat. Das hätte die Bundesregierung verhindern können und müssen", sagte Wagenknecht der in Berlin erscheinenden Tageszeitung "Welt" (Montag).
Appell an in Deutschland lebenden Türken
Der Grünen-Parteivorsitzende Cem Özdemir forderte von SPD und CDU, sich mit Erdogan-Anhängern in den eigenen Reihen auseinanderzusetzen. "Nach allem, was ich weiß, tun sich CDU und SPD sehr schwer damit, hier klare Kante zu zeigen", sagte Özdemir der "Saarbrücker Zeitung" (Montag). "Wir dürfen eine Erdogan-Parallelgesellschaft mit Angst und Denunziation nicht achselzuckend hinnehmen."
Der CDU-Politiker Kai Wegner (CDU) forderte von in Deutschland lebenden Türken ein klares Bekenntnis zu den hier geltenden Werten. Die Erdogan-AKP sperre Journalisten und Oppositionelle ein, bespitzele das Volk und wolle die Todesstrafe einführen, sagte Wegner der "Welt". Wer ihr - wie in Oberhausen - zujubele, "schürt massive Zweifel daran, ob er noch auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung steht und muss sich die Frage gefallen lassen, ob er mit dem liberalen Deutschland seinen Lebensmittelpunkt richtig gewählt hat."