DOMRADIO.DE: Was bedeutet es Ihnen, beim Schweigegang in Köln dabei zu sein?
Hendrik Wüst: (Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen): Es ist mir wichtig, auch an die Menschen jüdischen Glaubens ein Zeichen zu setzen, um zu verdeutlichen, dass sie in ihrer Verunsicherung und in ihrer Angst nicht allein sind.
Wir müssen es klar benennen. Menschen jüdischen Glaubens haben in Deutschland aktuell wieder Angst. Das darf uns nicht kalt lassen. Wir müssen dagegen arbeiten. Wir müssen für ihre Sicherheit sorgen. Wir müssen aber auch als Gesellschaft ein Zeichen setzen, dass sie nicht allein sind, dass wir an ihrer Seite stehen.
DOMRADIO.DE: Die Kirchen haben diesen Schweigegang mitorganisiert. Welche Funktion, welche Bedeutung können die Kirchen in dieser Notsituation haben?
Wüst: Ich bin den Kirchen dankbar dafür. Die Kirchen bringen Menschen auf die Straße, sie bringen Menschen zusammen und sie können für interreligiösen Dialog sorgen. Das ist wertvoll, das ist wichtig.
Sie können vor allen Dingen auch junge Leute adressieren und junge Menschen zusammenbringen und ein Stück weit das Fremde bei der jeweils anderen Religion nehmen. Das ist wichtig.
DOMRADIO.DE: Religion spielt in diesem Konflikt auch eine Rolle, auch der Missbrauch von Religion. Wie sehen Sie das?
Wüst: Religion wird auch oft missbraucht. Wenn wir die Demonstrationszüge sehen, dann werden Jugendliche, die gar nicht religiös sind, mit ein paar ganz wenigen Floskeln emotional hochgejagt und gegen Altersgenossen, die eine andere Religion haben, aufgehetzt. Das ist nicht gut. Die Religionen sollten zusammenführen und die Menschen nicht auseinandertreiben.
DOMRADIO.DE: Es ist ganz ausdrücklich ein Schweigegang. Was bedeutet das?
Wüst: Manchmal ist Schweigen besser als 1.000 Worte. Trotzdem ist dieses Schweigen ein Signal, nämlich ein hoffentlich laut vernehmbares Signal der Solidarität.
DOMRADIO.DE: Vom Kölner Dom aus geht es zur Roonstraße zur Synagoge. Was bedeutet das symbolisch?
Wüst: Es ist klug gewählt von den christlichen Kirchen, diesen Weg zu machen. Dieser Weg trennt nicht, er verbindet.
Das Interview führte Johannes Schröer.