Es war der erste große Auslandseinsatz des Malteser Hilfsdienstes: Im Herbst 1966 schickte Deutschland junge Malteser als Ärzte, Krankenschwestern und Krankenpfleger ins Kriegsgebiet nach Vietnam. Es ging darum, die Zivilbevölkerung, vor allem Flüchtlinge, zu versorgen. Menschen, die schon seit Jahren keine ärztliche Untersuchung mehr hatten, denen es nicht gut ging. 50 Jahre danach tauschten nun beim Veteranen-Treffen in Engelskirchen bei Köln einige von ihnen ihre Erinnerungen aus, brachten Fotos von damals mit und blickten auf das zurück, was sie damals geleistet hatten.
Mit 22 und 25 Jahren frisch verheiratet nach Südostasien
"Im Nachhinein, heute nach 50 Jahren, sage ich: Das war eine gute Entscheidung", meint Ingrid Fitzler. Sie habe das ganze Leben geprägt. Vor 50 Jahren waren sie und ihr Ehemann Hans Hermann Fitzler nach Vietnam gegangen, um zu helfen. Frisch verheiratet engagierten sie sich im Malteser Hilfsdienst und versorgten ein Jahr lang mitten im Krieg Kranke, Hilfsbedürftige und Verletzte. "Aber wir hatten eben kein Krankenhaus. Wir mussten sehen, was wir mit unserer Hände Arbeit tun konnten." Im Nachhinein sei sie ein bisschen stolz, dass sie das konnte, sagt Ingrid Fitzler heute. Nur zwei Hände und Medikamente, mehr brauchte sie nicht, um das Leid zu mindern.
Das Improvisationstalent der beiden und der anderen Malteser war gefragt. Dort, wo die Hilfe gebraucht wurde, richteten die Helfer eine "Freiluft-Krankenstation" ein und leisteten Erste Hilfe gegen Krätze und Schussverletzungen. Das Ehepaar erinnert sich an Hürden, wie die durch den Vietcong verminten Wege, die ihnen die Amerikaner zunächst freigeben mussten. Mit ihrer Medizinkiste gingen sie zu Fuß in die Dörfer und Flüchtlingscamps, um der vietnamesischen Bevölkerung zu helfen. Sobald diese wusste, dass die Deutschen kommen, gab es einen starken Zulauf. Der Dorfälteste war der erste, der ihre Hilfe in Anspruch nahm. Traute er es ihnen zu, kamen die übrigen auch. Anschließend liefen die Helfer fünf Kilometer nach Hause.
Angewiesen auf die Amerikaner
In ihrer Medizinkiste hatten die jungen Malteser Medikamente und Verbandsmaterial – gestellt von den Amerikanern. Sie waren es auch, die für die Sicherheit der Deutschen sorgten und ihre Apotheke überwachten. Einen Überfall auf die Apotheke konnten zwei Sicherheitsleute verhindern, haben dabei aber ihr Leben gelassen. Dass für die deutsche Gruppe zwei Amerikaner gestorben sind, hatte das junge Paar sehr getroffen.
Besonders gerne gehen ihre Gedanken hingegen zurück zum Weihnachtsfest 1966, das das Ehepaar Fitzler und ihre Gruppe gemeinsam in Vietnam feierten. Einen Adventskranz hatten sie aus Blättern gebunden und außer Brühwürfeln hatten sie nicht viel zu essen. Jeder steuerte etwas bei, ein paar Plätzchen gab es auch. Dann aber kam ein Amerikaner, der eine Kiste roter Äpfel mitbrachte. "Und das war für uns dann wie Weihnachten eben. Und jedes Jahr gibt es bei mir Weihnachten rote Äpfel, weil das das beste Weihnachtserlebnis war", sagt die heute 73-Jährige, wenn sie davon erzählt, dass die jungen Malteser während ihres Einsatzes auf die Amerikaner angewiesen waren.
Einen großen Weihnachtsgottesdienst feierten sie auch, zusammen mit Deutschen, Vietnamesen und Amerikanern. Als sie "Stille Nacht, heilige Nacht" in drei Sprachen sangen, – Vietnamesisch hatten sie extra gelernt – heulten die "Ledernacken", die härtesten Soldaten der Amerikaner, Rotz und Wasser. "Also, sowas hab ich noch nie gesehen", staunt Hans Hermann Fitzler noch heute.
Aufbruch in ein unbekanntes Land
Dem Aufruf des Generalsekretärs vom Malteser Hilfsdienst, Georg von Truszczynski, waren Ingrid und Hans Hermann Fitzler gefolgt. Sie kannten sich gut und jeden, der für die erste Gruppe infrage kam, suchte sich Georg von Truszczynski persönlich aus. Die Entscheidung zu einem Auslandseinsatz fiel ihnen nicht leicht. Lange überlegten sie hin und her, bis sie bereit waren, nach Vietnam zu reisen. Über das Land wussten sie damals nichts. Sie wälzten Bücher in Bibliotheken, um etwas zu erfahren.
Vor Ort schließlich verdrängten sie die Gefahr, die aber ständig präsent war. "Wir wussten gar nicht genau, was in Vietnam geschieht. Der Vietnamkrieg war ja kein Frontenkrieg", stellt Hans Hermann Fitzler klar. Er nennt es "ein bisschen blauäugig", wenn er von ihrem Beschluss spricht. "Aber wir haben gesagt: Als Malteser muss man helfen! Und dann war unser Idealismus da, um den Leuten zu helfen."
In Vietnam werden sie Eltern
Das bereuten sie nicht. Auch nicht, als ihr erstes Kind in Saigon, der heutigen Ho-Chi-Minh-Stadt, in Vietnam zur Welt kam. Einen Einsatz hatten die jungen Eltern in An Hoa, was mitten im Dschungel liegt. Sie konnten also nicht ohne Weiteres in die nächstgrößere Stadt fliegen, sondern waren auf die Amerikaner angewiesen, die ihnen ein Flugzeug zur Verfügung stellten. Erst später hatten die Deutschen einen Jeep, mit dem sie nach Da Nang fahren konnten, was 30 Kilometer entfernt lag. Aber selbst diese Entfernung stellte eine Herausforderung für Ingrid Fitzler dar, weil der Regen in der Monsunzeit alle Wege zu Schlamm machte. "Ich konnte schon froh sein, dass ich das als Schwangere alles so gut überstanden habe."
Als der Sohn fünf Monate alt war, kehrten sie nach Deutschland zurück. Wenn sie sich nach 50 Jahren daran zurückerinnern, wissen sie, dass ihnen eins dabei geholfen hat: "Ein christlicher Glaube muss schon dahinter stehen. Man kann nicht – nur – aus Abenteuer dahin fahren. Ein bisschen Abenteuer gehört schon dazu, aber man muss schon einen festen Glauben haben." Und Hans Hermann Fitzler ergänzt: "Der liebe Gott hält schon die Hand über uns!"