Im US-Wahlkampf überbieten sich die republikanischen Präsidentschaftsbewerber mit verbalen Attacken gegen illegale Einwanderer. Unterdessen geht auch das Heimatschutzministerium in der Praxis wenig zimperlich mit Neuankömmlingen um. So spürte etwa die Einwanderungspolizei in Georgia, Texas und North Carolina zu Jahresbeginn 120 Flüchtlinge aus Zentralamerika auf, deren Asylgesuch rechtskräftig abgelehnt war, und schob sie ab. Die meisten von ihnen waren Frauen und Kinder.
US-Bischofskonferenz kritisiert Abschiebepraxis
Ihre Abschiebung löste unter Einwanderungsverbänden, Kirchen und Menschenrechtlern Empörung aus. "Wir fragen uns: Warum machen die so etwas?", sagt die Direktorin des "National Immigration Project", Paromita Shah. Diese Frage stellen sich auch der in der US-Bischofskonferenz für das Thema Einwanderung zuständige Weihbischof Eusebio Elizondo sowie der Vorsitzende des "Catholic Legal Immigration Network" Bischof Kevin Vann.
In einem Schreiben an Heimatschutzminister Jeh Johnson betonen sie, die Aktionen stünden in scharfem Kontrast zu den Vorgaben von Präsident Barack Obama. Dieser hatte im November 2014 erklärt, seine Regierung schiebe "Straftäter, nicht aber Familien ab; Kriminelle und nicht Kinder; Gang-Mitglieder, nicht Mütter, die hart arbeiten, um für ihre Kinder zu sorgen".
Flüchtlinge rechtlich nur ungenügend vertreten
Die Klage der Bischöfe angesichts der gängigen Asylpraxis in den USA ist nicht neu. Tatsächlich werden die meisten Flüchtlinge in den Eilverfahren rechtlich nur ungenügend vertreten. Dies führt häufig zur Ablehnung ihres Asylgesuchs. Der eigentliche Grund für das harte Durchgreifen des Heimatschutzministeriums ist jedoch ein politischer.
Das Weiße Haus will sich angesichts des Rechtsstreits um den von Obama per Dekret verfügten Abschiebestopp für fünf Millionen Einwanderer ohne Papiere nicht angreifbar machen. Das Argument erhält zusätzliches Gewicht, seit das oberste US-Verfassungsgericht Anfang der Woche bekanntgab, es werde bis zum Sommer klären, ob der Präsident die Autorität habe, bestimmte Gruppen von Einwanderern von einer Abschiebung auszunehmen.
Obama hatte vor gut einem Jahr die Abschiebung von Kindern ausgesetzt, die vor Jahren in Begleitung illegaler Einwanderer ins Land gekommen waren. Auch nahm er ohne Papiere eingewanderte Eltern aus, deren Kinder die US-Staatsbürgerschaft haben. Texas hatte die Anordnung stellvertretend für 26 republikanisch regierte US-Bundesstaaten als verfassungswidrig angefochten.
"Menschliche Perspektive nicht verlieren"
Der Erzbischof der größten US-Diözese Los Angeles, Jose Gomez, erklärte, er sei zwar kein Verfassungsexperte, habe aber als Seelsorger etwas anzumerken: "Egal wie die Menschen hierhergekommen sind und wie frustriert wir über unsere Regierung sind - wir dürfen die menschliche Perspektive nicht verlieren."
Während es hier eine Schnittmenge zur Position des Präsidenten gibt, sieht sich Obama von Opposition und Justiz verstärkt unter Druck gesetzt, den Nachweis gesetzestreuen Handelns zu führen. Der Präsident versucht, gleich auf mehrere Arten darauf zu reagieren.
Vize-Präsident Biden verhandelt über Entwicklungshilfemittel
Vergangene Woche traf er sich mit Minderheitsführerin Nancy Pelosi und einem halben Dutzend demokratischer Kongressabgeordneter. Parallel dazu schickte er seinen Vize Joe Biden nach Guatemala, El Salvador und Honduras, um über 750 Millionen Dollar (690 Millionen Euro) Entwicklungshilfemittel zu verhandeln.
In der US-Presse beschwichtigten Mitarbeiter des Weißen Hauses, angesichts der von Präsidentschaftsbewerber Donald Trump angekündigten Abschiebung von 11 Millionen Menschen nicht wegen 120 rechtskräftig abgelehnter Asylbewerber "in Hysterie" auszubrechen.
Wahljahr 2016
Obama will im Wahljahr verhindern, dass erneut eine große Zahl von Flüchtlingen über die Südgrenze zu Mexiko ins Land gelangt. Seit 2014 kamen, ausgelöst durch eine Gewaltwelle in den Herkunftsstaaten, mehr als 100.000 Menschen aus Zentralamerika in die USA. Darunter war auch eine große Zahl unbegleiteter Minderjähriger.
Menschenrechtler lassen solche taktischen Argumente nicht gelten. Für sie ist jede einzelne fragwürdige Abschiebung eine zu viel. Die Bischöfe Elizondo und Vann bringen es in ihrem Schreiben auf den Punkt: "Einwandererkinder und deren Familien in ihre Heimatländer zurückzuschicken, bringt viele von ihnen in ernste Gefahr, weil sie dort mit Gewalt und einige gar mit dem Tod bedroht werden."