Ökumenischer Gottesdienst feiert 100 Jahre Kirche im Radio

100 Jahre Kirche im Radio

Kirchliche Sendungen im Radio können Orientierung geben, so Kardinal Marx. Deutschlandradio-Intendant Stefan Raue verwies auf Parallelen zwischen Kirche und Rundfunk, die beide unter Legitimationsdruck stünden.

Autor/in:
Steffen Grimberg
Paulinerkirche in Leipzig / © Harald Oppitz (KNA)
Paulinerkirche in Leipzig / © Harald Oppitz ( KNA )

Mit einem ökumenischen Radio-Gottesdienst haben die Kirchen am Sonntag in Leipzig das Jubiläum "100 Jahre Kirche im Radio" gefeiert. 

Im Herbst 1924 hatte die Mitteldeutsche Rundfunk AG, ein Vorläufer des heutigen MDR, als erste Rundfunkanstalt in Deutschland einen Gottesdienst im damals neuen Medium Radio übertragen.  

Der katholische Medienbischof Reinhard Marx sagte in einer Videobotschaft, die Kirche habe den Auftrag, "auf allen Wegen das Wort Gottes zu verkünden". Als vor 100 Jahren die Idee geboren worden sei, habe es "Vertrauen auf allen Seiten gebraucht". 

Kardinal Reinhard Marx / © Friso Gentsch (dpa)
Kardinal Reinhard Marx / © Friso Gentsch ( dpa )

Es gehe bis heute darum, "hörbar zu machen, was das Christentum als Orientierungshilfe in die Gesellschaft einzubringen hat" und so Hörerinnen und Hörern Orientierung zu geben. Das Radio werde hierbei eine wichtige Rolle auch unter den vielen neuen Medien behalten.  

Da die Kirchen mit den in Radio und Fernsehen übertragenen Gottesdiensten "mehr Menschen als ein Gottesdienst in jeder Kirche" erreichten, ergebe sich daraus auch eine besondere Verantwortung und eine klare Botschaft: 

"Bitte kein Kirchen-Kauderwelsch", sagte Pater Bernhard Venzke, der mit dem Leipziger Theologieprofessor Alexander Deeg den Radio-Gottesdienst feierte.  

1924 viele Vorbehalte  

Deeg erinnerte an Vorbehalte, die vonseiten der Kirchen vor 100 Jahren gegen eine Radioübertragung von Gottesdiensten bestanden hätten. 

Alexander Deeg / © Norbert Neetz (epd)
Alexander Deeg / © Norbert Neetz ( epd )

"Damals hielten es manche für eine Geschmacklosigkeit, wenn Menschen am Küchentisch oder im Wohnzimmer nebenbei den Gottesdienst hören und dabei vielleicht sogar noch einen Kaffee trinken oder Zigarre rauchen." 

Doch gerade in der Zeit des Nationalsozialismus habe sich gezeigt, "was Gottes Wort unter allen anderen ausmacht".  In der NS-Zeit wurden die Gottesdienstübertragungen im Radio zunächst fortgesetzt, da das Regime auf diesem Weg die Kirchen für sich einnehmen wollte. 

Weil viele Sendungen aber inhaltlich "ein Stachel im Ohr" der Machthaber waren, wurden sie 1939 auf Befehl Hitlers eingestellt. Nach 1945 fanden sie in Ost- und Westdeutschland wieder statt.  

MDR-Intendant Ralf Ludwig wies in seinem Grußwort darauf hin, dass heute nur noch rund 20 Prozent der Menschen im Sendegebiet des MDR einer Kirche angehörten. 

Kirchliche Sendungen im Rundfunk könnten dennoch angesichts einer immer pluraler, aber auch kontroverser werdenden Gesellschaft ein wichtiger Raum für Austausch und Diskussion in der digitalen Medienwelt sein. 

Dabei müssten sie sich wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk immer ihrer Aufgabe bewusst sein, "zu dienen und nicht zu belehren".  

Geschichte des Ausschaltens  

Der Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens, Tobias Bilz, wies auf die eher profanen Bedingungen der Verkündigungssendungen im Rundfunk hin: "100 Jahre Kirche im Radio sind auch eine Geschichte des Ausschaltens, das gehört zur Wahrheit dazu." 

Tobias Bilz / © Sebastian Kahnert (dpa)
Tobias Bilz / © Sebastian Kahnert ( dpa )

Er sei sich aber sicher, dass die Macherinnen und Macher kreativ genug seien, immer wieder neue Formate zu entwickeln, "die auch in den nächsten 100 Jahren gehört werden". 

In seiner Festrede unterstrich Raue ein "besonderes Verhältnis" von Verkündigungssendungen und Massenmedien. Es werde "immer anspruchsvoller, wenn die, die auch erreicht werden sollen, immer distanzierter werden."  

Raue: "Spürbare Distanz"  

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk und die Kirchen stünden aktuell vor ähnlichen Herausforderungen, so Raue. Gegenüber beiden Institutionen gebe es eine "spürbare Distanz", für "beide wird der Legitimationsdruck stärker". 

Symbolbild Mikrofon in einem Aufnahmestudio / © Chat Karen Studio (shutterstock)
Symbolbild Mikrofon in einem Aufnahmestudio / © Chat Karen Studio ( shutterstock )

Einer von der Medienpolitik diskutierten Verlagerung der kirchlichen Sendungen aus dem klassischen Radio und Fernsehen ins Internet erteilte Raue eine Absage: "Das ist keine Option."  

Grundlage der Verkündigungssendungen und Gottesdienstübertragungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk sind die den christlichen Kirchen sowie der jüdischen Kultusgemeinde in den Rundfunkstaatsverträgen eingeräumten Sendezeiten in eigener Verantwortung. 

Der Leipziger Radio-Jubiläumsgottesdienst wurde vom Deutschlandfunk, MDR Kultur, NDR, WDR und vom Saarländischen Rundfunk übertragen.

 

Quelle:
KNA