Offizielle China-Delegation verließ wegen Dissidenten den Saal

Eklat schon vor Beginn

Auf dem mit Spannung erwarteten China-Symposium zur Frankfurter Buchmesse ist es am Samstag zu einem Eklat gekommen. Als die regimekritische Autorin Dai Qing auf dem Podium das Wort ergriff, verließ ein Großteil der offiziellen chinesischen Delegation den Saal. Dai prangerte die Verletzung der Rede- und Meinungsfreiheit in China an, räumte aber gewisse Fortschritte ein. Nach einer Pause entschuldigte sich Buchmesse-Direktor Juergen Boos bei chinesischen Diplomaten für mangelnde Kommunikation. Die Delegation kehrte zurück.

 (DR)

Boos rief alle Beteiligten dazu auf, einen Diskurs zu führen, kein Tribunal zu veranstalten. Der frühere chinesische Botschafter in Deutschland, Mei Zhaorong, sagte, die Buchmesse habe ohne Absprache das Programm des Symposiums geändert. Man habe sich ungerecht behandelt gefühlt. Ziel sei es, gleichberechtigt Meinungen auszutauschen. «Wir sind nicht gekommen, um uns im Demokratie-Unterricht belehren zu lassen», sagte Mei. «Diese Zeiten sind vorbei.» China ist in diesem Jahr Ehrengast der Buchmesse, die vom 14. bis 18. Oktober stattfindet.

Um die beiden Autoren Dai Qing und Bei Ling gab es großen Wirbel. Die chinesische Kultur- und Zensurbehörde ist Mitveranstalterin des Symposiums und hatte mit Rückzug gedroht, falls Dai Qing und Bei Ling kommen. Daraufhin hatte die Buchmesse die Einladungen zurückgezogen. Zu Beginn des Symposiums hatte sich Boos «für das Hin und Her» entschuldigt. Es habe sich aber nicht um eine Ausladung gehandelt.
Die Einladung sei lediglich nicht erneuert worden.

Auf dem Symposium demonstrierten chinesische Offizielle Selbstbewusstsein. Ex-Botschafter Mei warnte vor Überheblichkeit im Westen. Die Haltung «Am deutschen Wesen soll die Welt genesen» dürfe es nicht mehr geben. Mei beantwortete auch eine Frage der Kritikerin Dai zu Menschenrechten. China wolle die Menschenrechte verbessern, habe aber das Gemeinwohl im Auge. Das Land dürfe nicht instabil werden, weil die Menschen nichts mehr zu essen hätten. «Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral», zitierte er aus der Dreigroschenoper von Bertolt Brecht.

Die Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU) rief zu Mut und Entschlossenheit im Umgang mit China auf. «Man muss Standfestigkeit haben, man muss Profil zeigen», sagte sie und verwies auf die Besuche des Daila Lama in Frankfurt trotz Kritik aus Peking.

Der Lyriker Bei Ling erklärte, ein Teilnehmer des Symposiums sei bei seiner Verhaftung im Jahr 2000 dabei gewesen. Bei hatte eine Literaturzeitschrift herausgegeben. Nach Protesten war er in die USA abgeschoben worden. Dem Literaturnobelpreisträger Günter Grass fühlt er sich nach eigenen Bekunden zu besonderem Dank verpflichtet. Bei kann seine Heimat nicht besuchen. Die in China lebende Journalistin Dai wurde vor allem mit Schriften über den umstrittenen Drei-Schluchten-Staudamm bekannt. Sie war nach der Niederschlagung der Demokratiebewegung 1990 in Haft und darf in China nichts veröffentlichen.