Ist Papst Franziskus geboostert oder noch nicht? Wie jedes andere Land und jeder andere Regierungschef muss auch das Kirchenoberhaupt mit der Pandemie, Vorschriften und Folgen umgehen. Das macht der Vatikan auch, teils mit schärferen Regeln als im benachbarten Italien. Und doch finden einige Beobachter den persönlichen Umgang des Staatschefs mit der Pandemie und den Vorgaben auch fragwürdig. Papst Franziskus und Corona haben eine eigene Dynamik entwickelt.
Um dies nachzuvollziehen, hilft ein Rückblick in das vergangene Jahr. 2020 war für den Vatikan das Corona-Jahr. Und Franziskus nahm die Herausforderungen an. Er zeigte sich als Mutmacher und Mahner in dieser schwierigen Zeit. Erstmals seit 1979 unternahm ein Kirchenoberhaupt keine Auslandsbesuche. Reisen nach Malta, Ungarn und in den Asien-Pazifik-Raum wurden abgesagt, Pläne für den Südsudan und Irak auf Eis gelegt. Franziskus stellte seine wöchentlichen Pilgertreffen auf Videobeiträge um. Und früh begann der Vatikan damit, nicht nur seine Mitarbeiter und Bewohner zu impfen, sondern auch Impfangebote für Obdachlose und Bedürftige zu fördern.
Von der Pandemie Betroffene in den Fokus gerückt
Franziskus beteiligte sich immer wieder an Impfappellen und kritisierte mehrfach Kardinäle und andere Würdenträger, die sich als offene Impfskeptiker oder gar Corona-Leugner gerierten. Und er vergaß nie, immer und immer wieder die besonders von der Pandemie Betroffenen in den Fokus zu rücken - Arme, Alte, Kranke. Und doch hat sich der persönliche Umgang von Franziskus mit der Pandemie über die Monate verändert.
Während die Osterfeiern noch in begrenztem Rahmen stattfanden, empfing der Papst nach langer Pandemie-Pause im Mai wieder Gäste zur Generalaudienz. Zunächst waren diese Empfänge auf den kleineren Damasushof innerhalb der vatikanischen Mauern beschränkt, aber nach und nach wurden die Audienzen größer und wieder "franziskanischer". Das heißt, der Pontifex warf nach und nach viele Schutzvorkehrungen über Bord. Er verzichtete auf die Vorgabe der Distanz, auf die eigene Maske und schüttelte viele, sehr viele, unzählige Hände und desinfizierte sich seine eigenen dazwischen nicht.
Auslandsbesuche trotz steigender Infektionszahlen
Zwar war da bereits bekannt, dass der Pontifex wie vorgesehen zweifach gegen Covid-19 geimpft war. Es wurde aber auch Allgemeinwissen, das diese Impfung zwar vor schwerer Krankheit schützt, aber nur bedingt vor Ansteckung und Weitergabe der Infektion. Allerdings waren in den warmen Sommermonaten die Infektionszahlen in Italien sehr niedrig und die offizielle Impfkampagne im Vatikan längst abgeschlossen. So wunderte es nicht, dass der Papst nach seiner vielbeachteten Irak-Reise im Frühjahr auch für den Spätsommer wieder Auslandsbesuche plante, so nach Ungarn und in die Slowakei, nach Assisi und zuletzt im Dezember nach Zypern und Griechenland - trotz der dort steigenden Infektionszahlen.
Auch die pandemiebedingt ausgesetzten Ad-Limina-Besuche von Bischöfen aus aller Welt nahm Franziskus im Herbst wieder auf, trotz steigender Kurven. Doch nicht alle Bischöfe wollten auch kommen. So sagten etwa die Österreicher ihren Besuch ab. Kanadas Bischöfe verschoben kurzfristig die Reise einer größeren Delegation mit Indigenen-Vertretern nach Rom; die Spitze der Bischofskonferenz jedoch war vergangene Woche persönlich beim Papst.
Green Pass per Dekret im Vatikan eingeführt
Dann gab es wiederholt Berichte von an Covid-19 schwer erkrankten Würdenträgern. Anfang Dezember starb der päpstliche Botschafter bei der EU, Erzbischof Aldo Giordano, an den Folgen seiner Corona-Infektion. Für Mitarbeiter und Besucher hatte der Vatikan seine Covid-19-Regeln da längst verschärft.
Per Dekret führte das vatikanische Governatorat zum 1. Oktober den sogenannten Green Pass als verpflichtende Zugangsvoraussetzung ein. Alle Mitarbeiter und Besucher müssen mindestens einmal gegen Covid-19 geimpft, getestet oder von der Krankheit genesen sein. Wer keinen Pass vorweisen kann, darf nicht zur Arbeit kommen, gilt als unentschuldigt abwesend und bekommt kein Arbeitsentgelt. Bei der Schweizer Garde wurde - aufgrund ihrer Näher zum Pontifex - sogar eine Impfpflicht eingeführt, woraufhin drei Gardisten das Handtuch warfen und in die Heimat zurückkehrten.
Den Menschen nahe sein und ins Gesicht blicken
Und Franziskus? Der hält sich weiter an keine Abstandsregeln, schüttelt weiter Hände, herzt Geflüchtete auf der griechischen Insel Lesbos und Pilger in der eng besetzten Audienzhalle und trägt nur in Ausnahmefällen eine Schutzmaske. Letztere mag er aufgrund seines eingeschränkten Lungenvolumens unangenehm finden.
Abgesehen davon betont das Kirchenoberhaupt immer wieder: Er möchte den Menschen nahe sein, ihnen ins Gesicht blicken und zugleich selbst Gesicht zeigen. Doch für viele ist Franziskus nun einmal als Oberhaupt von 1,3 Milliarden Katholiken auch Vorbild - und wenigstens in dieser Hinsicht wird und kann sein Handeln hinterfragt werden.