Die Bildergalerie zur Uraufführung des Dreikönigsoratoriums finden Sie hier.
Am Ende war Stille. Nachdem der letzte Ton verklungen war, regte sich zunächst niemand in der vollbesetzten Kathedrale. Dann brandete Beifall auf, gut zehn Minuten lang tönte Applaus durch die ehrwürdige Halle, immer wieder unterbrochen von lauten "Bravo"-Rufen.
Selbst für einen Kölner Dom, der schon viel gesehen hat, keine alltägliche Situation. Doch ist er auch nicht oft Ort einer besonderen Uraufführung.
Im Mittelpunkt am Donnerstagabend standen die Heiligen Drei Könige, denen Komponist Helge Burggrabe ein eigenes Oratorium gewidmet hat. Im Mittelpunkt stand aber auch die Chorhalle des Kölner Doms - der östliche Teil der heutigen Kirche, in dem sich der Dreikönigenschrein befindet.
700 Jahre Domchor
Mit einem großen Jubiläum wird dieser Tage der älteste Teil der gotischen Kathedrale gefeiert. Denn vor 700 Jahren, am 27. September 1322, wurde der Chor geweiht. Damit war der erste große Bauabschnitt des Doms abgeschlossen. Neben einer Vielzahl an Veranstaltungen initiierte das Kölner Domkapitel auch eine Komposition - ein Dreikönigsoratorium sollte es werden, schließlich wurde die Kathedrale letztlich auch für die Weisen aus dem Morgenland gebaut.
Und so zogen die Könige nun musikalisch durch den Dom in einem großangelegten geistlichen Werk, das unter der Leitung von Domkapellmeister Eberhard Metternich neben Solisten drei der Chöre am Kölner Dom - das Vokalensemble, den Domchor und den Mädchenchor - sowie das Kölner Kammerorchester und eine Domorgel zum Erklingen brachte. Burggrabe verband für sein Oratorium die biblische Erzählung mit zeitgenössischen Texten - etwa von Marie Luise Kaschnitz, Andreas Knapp, Karl Rahner und Nelly Sachs.
Dadurch wurde die weitbekannte Geschichte der drei Magier in die Gegenwart übersetzt - auch musikalisch. Klassisch anmutende Elemente wechselten sich mit Sprechgesängen ab, rhythmisch untermalten Trommeln den Weg der Könige. Paul Gerhardts berühmtes "Ich steh an deiner Krippe hier", seinerseits bekannt als Choral in Bachs Weihnachtsoratorium, kam ebenso zu Gehör wie ein pulsierendes Herzklopfen und ein Zitat von Dorothee Sölle, das wie ein Motto über der Aufführung schwebte: "Am Ende der Suche und Frage nach Gott steht keine Antwort, sondern eine Umarmung."
Eindrucksvolle Verbindung von Musik und Raum
Als Brückenschlag in die Gegenwart könnte dieses Oratorium verstanden werden - passend zu dem Brückenschlag, den die Kathedrale selbst jeden Tag vollzieht: Erbaut von Menschen, die sich an ihrem Werk zu Lebzeiten selbst nie erfreuen konnten und damit doch einer Sehnsucht nach etwas Größerem Ausdruck verliehen. "Die Motivation dieser "Magoi", aus dem Morgenland aufzubrechen, um Gott in der Gestalt eines Kindes begegnen zu können, ist ja per se eine zeitlose Metapher für uns Menschen als Suchende", erklärte denn auch Komponist Burggrabe vorab in einem Interview bei DOMRADIO.DE.
Der Charme der Inszenierung lag jedoch besonders in der eindrucksvollen Verbindung von Musik und Raum. Musizierte ein großer Teil der Künstler zwar von der Vierung aus, wo Lang- und Querhaus zusammenlaufen, so gaben sie doch die ganze Zeit hindurch den Blick auf Schrein und Chorraum frei.
Lichtkegel gen Himmel
Der wiederum wurde auch in Szene gesetzt. Der Lichtgestalter Michael Suhr tauchte ihn passend zur Dramaturgie der erzählten Geschichte mal in warmes Blau oder weiches Rot. Standen die Weisen vor König Herodes, warfen die in kaltem Gelb angestrahlten Pfeiler bedrohliche Schatten. Dann strahlte der Chorraum in goldenem Licht. "Wir haben seinen Stern aufgehen sehen", kommt gegen Ende der Evangelist Matthäus zu Wort.
Zum Schluss vereinigten sich beim inniglichen Amen Chöre, Orchester und Solisten. Unterhalb des Schreins gingen Lichtkegel gen Himmel, umfingen die Gedenkstätte der Weisen aus dem Morgenland wie ein Zelt und schienen schräg an die Gewölbe des Doms. Ihr Licht traf über der Vierung auf den Bau, wo einst eine Mauer den ältesten Bauteil von dem späteren Langhaus trennte. Und einen Augenblick lang war sie erfüllt, die Sehnsucht nach Verbundenheit - von Gott und Mensch, von Geschichte und Gegenwart.