Ordensschwester erklärt die Bedeutung von Maiglöckchen

Tränen der Maria

Im Frühling wird es draußen bunt. Wenn man Glück hat, findet man auch das ein oder andere Maiglöckchen. Was die Blume mit dem Marienmonat Mai verbindet, weiß die Gartenbauingenieurin Schwester Christa Weinrich.

Maiglöckchen / © NataliaL (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Das Maiglöckchen kam früher oft in der Literatur vor. Wie wird die Pflanze von Dichtern beschrieben? 

Schwester Christa, Leiterin Klostergarten, steht zwischen den Sonnenblumen im Klostergarten / © Andreas Arnold (dpa)
Schwester Christa, Leiterin Klostergarten, steht zwischen den Sonnenblumen im Klostergarten / © Andreas Arnold ( dpa )

Schwester Christa (Gartenbauingenieurin und Ordensfrau in der Benediktiner-Abtei zur heiligen Maria in Fulda): Am bekanntesten ist wahrscheinlich das Gedicht von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben. Die Schlussstrophe heißt „und lädt zum Tanze ein“. Das wird auch in der Schule noch oft gesungen und gelernt. 

DOMRADIO.DE: Bei Heinrich Heine kommt es auch vor. 

Schwester Christa: Heinrich Heine sagt, dass Maiglöckchenduft das Eis des Winters und das Eis der Herzen bricht. 

Schwester Christa

"Für mich ist der Duft eine Erinnerung aus der Kindheit."

DOMRADIO.DE: Was verbinden Sie persönlich mit dem Duft der Maiglöckchen?

Schwester Christa: Für mich ist der Duft eine Erinnerung aus der Kindheit. Bei den Baunsberg bei Kassel gibt es eine Waldichtung, da wuchsen unheimlich viele Maiglöckchen. Jetzt übrigens immer noch. In Begleitung meines Großvaters durften wir Kinder dort Maiglöckchen suchen. 

Die duftenden Sträußchen durften wir der Mutter und der Großmutter als Geschenk mitbringen. Dass die kleinen Blumen giftig sind, haben wir nebenbei gelernt. Und auch, dass wir überhaupt keine unbekannte Pflanze in den Mund stecken durften, uns aber immer an dem lieblichen Duft freuen können. 

DOMRADIO.DE: Sie haben gesagt, dass sie früher Maiglöckchen gepflückt haben. Stehen die inzwischen nicht unter Naturschutz? 

Schwester Christa: Ja, sie sind jetzt geschützt. Der Grund ist, dass sie früher sehr stark geplündert wurden. Ganze Kisten und Körbe voll wurden in die nächsten Städte gebracht und dort auf den Märkten und in Blumengeschäften verkauft. Aber das Maiglöckchen gehört nicht zu den streng geschützten Pflanzen. 

Maiglöckchen / © Kovalchuk Oleksandr (shutterstock)

Das heißt, man darf sich kleine Sträußchen der Blumen pflücken, weil sich die Pflanze wieder stark vermehrt und ausbreitet. Man darf jedoch keine unterirdischen Teile ausgraben und mit in den Garten nehmen. Das ist verboten. 

Schwester Christa

"Es ist giftig. Deswegen sollte man beim Pflücken sehr vorsichtig sein."

DOMRADIO.DE: Heute sagen Eltern zu ihren kleineren Kindern eher, dass sie die Finger komplett davonlassen sollen, denn das Maiglöckchen ist sehr giftig. 

Schwester Christa: Es ist giftig. Deswegen sollte man beim Pflücken sehr vorsichtig sein. Wenn das kleine Kinder machen, ist das schon so, dass die hinterher den Finger in den Mund stecken. Deswegen ist es gut, wenn die Eltern das sagen. 

Schwester Christa

"Früher dachte man, das Maiglöckchen gehört zu den Lilien."

DOMRADIO.DE: Bei Verdacht auf Vergiftung muss man sowieso sofort zum Arzt gehen. Zu welcher Pflanzenart gehört das Maiglöckchen denn? 

Schwester Christa: Früher dachte man, das Maiglöckchen gehört zu den Lilien. In England heißt es auch "lily of the valley" also Lilie der Täler. Aber heute weiß man, dass sie zu der Familie der Spargelgewächse zugeordnet sind. 

Wenn man sich Spargelblüten und -beeren anguckt, dann sieht man, dass die ähnlich aussehen wie die kleinen Maiglöckchen. Sie blühen später, aber sind ähnlich angeordnet wie die kleinen Maiglöckchen. 

DOMRADIO.DE: Was hat das Maiglöckchen mit der Gottesmutter Maria zu tun? 

Schwester Christa: Ja, weil sie Lilie genannt wurde. Die Lilie wurde immer der Gottesmutter zugeordnet. In der christlichen Malerei wurde die Gottesmutter mit der Lilie dargestellt. Wenn man genau hinschaut, findet man auf manchen Bilder das Maiglöckchen, oft auf Gemälden, die die Muttergottes darstellen. 

DOMRADIO.DE: Aber eher versteckt am Rand, oder? 

Schwester Christa: Ja, genau. Nach einer Legende soll das Maiglöckchen zuerst an den Stellen entstanden sein, wo Maria neben dem Kreuz ihres Sohnes ihre Tränen vergossen hat. Daher kommt auch in manchen Gegenden der Name Marientränen. 

Das Interview führte Uta Vorbrodt.

Marienmonat

Der Mai ist der wichtigste "Marienmonat" des Kirchenjahres. In der christlichen Spiritualität wird die "Gottesgebärerin" auch als ein Sinnbild für die Fruchtbarkeit und Lebenskraft des Frühlings verstanden. Das zeigt sich auch darin, dass auf der Südhalbkugel der Marienmonat nicht im Mai, sondern im dortigen Frühlingsmonat November gefeiert wird. (kna)

Marienmonat Mai hat begonnen / © Kobby Dagan (shutterstock)
Marienmonat Mai hat begonnen / © Kobby Dagan ( shutterstock )
Quelle:
DR