Organisationen warnen vor einer neuen Schuldenkrise

Besonders die Armen sind betroffen

Viele Schwellen- und Entwicklungsländer stehen vor der Überschuldung. Einige können bereits jetzt ihre Gläubiger nicht mehr bezahlen. Lösungen sind dringend gefragt.

Autor/in:
Dana Kim Hansen
 (DR)

Im vergangenen September zog der Hurrikan "Maria" über die karibische Insel Dominica und hinterließ große Verwüstungen. Es war nicht das erste Mal, dass der Inselstaat von einem Wirbelsturm heimgesucht wurde. Bereits 2015 wütete "Erika". Die Folgen waren verheerend - und aufgrund der Zerstörung konnte das Land konnte aufgrund seine Schulden nicht mehr bezahlen.

Wie der Karibikinsel geht es laut Schuldenreport 2018 auch vielen anderen Schwellen- und Entwicklungsländern. Der Bericht wurde am Donnerstag vom Entwicklungshilfswerk Misereor und dem Bündnis "erlassjahr.de" in Berlin vorgestellt. Das Bündnis besteht nach eigenen Angaben aus rund 600 Organisationen und setzt sich für eine Entschuldung der ärmsten Länder ein.

Von den untersuchten Ländern sind 84 Prozent verschuldet

Der Bericht zeigt: Von den 141 untersuchten Ländern, die nicht Mitglied in der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) sind, sind 119 stark verschuldet. In 87 Ländern hat sich die Lage demnach zwischen 2012 und 2016 erheblich verschlechtert.

So wie im Jemen, wo sich schiitische Huthi-Rebellen und die sunnitisch geprägte Zentralregierung seit Jahren einen Machtkampf liefern. Solche Kriege führen zu politischer Instabilität, die wiederum eine Verschuldung begünstigt, erläuterte der Politische Koordinator von "erlassjahr.de", Jürgen Kaiser. Länder, deren Wirtschaft wie in Angola oder der Republik Kongo stark auf Export ausgerichtet seien, litten unter dem Verfall der Rohstoffpreise und verschuldeten sich weiter. Aber auch der Klimawandel und die damit verbundenen zunehmenden Naturkatastrophen könnten Länder in die Verschuldung treiben.

Venezuela und Südsudan

Bereits jetzt sind 13 Staaten nicht mehr in der Lage, ihre Schulden ganz oder teilweise zu bezahlen. Neben dem Bürgerkriegsland Jemen betrifft das auch Venezuela und den Südsudan. "Der Südsudan ist aber eigentlich ein viel zu junges Land, um jetzt schon überschuldet zu sein", so Kaiser. Dennoch habe der Staat, der 2011 seine Unabhängigkeit erlangt hat, im vergangenen Jahr seine Zahlungen einstellen müssen.

Ein Ende dieser Entwicklung ist laut Kaiser nicht in Sicht: "Wir rechnen damit, dass sich die Schuldenkrise verschärft und sich auch auf andere Länder ausbreiten wird." Im kommenden Jahr werde es eine höhere Zahl an Staaten geben, die ihre Zahlungen einstellen müssten.

Misereor fordert wirksame Maßnahmen

Deshalb forderte der Experte für Entwicklungsfinanzierung von Misereor, Klaus Schilder, wirksame Maßnahmen. Der neue Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) müsse das Thema auf die Tagesordnung des G20-Finanzministertreffens am Montag und Dienstag in Buenos Aires setzen. Es habe in der Vergangenheit zwar bereits Überlegungen gegeben, um betroffenen Staaten zu helfen. "Es scheint aber, dass der politische Wille fehlt", so Schilder.

"Es ist wichtig, dass die G20 umgehend eine sinnvolle Entschuldungsoption schaffen, um dramatische Folgen der Schuldenkrise gerade für die Ärmsten und Verletzlichsten im Globalen Süden abzuwenden", sagte Schilder. Denn unter der Verschuldung litten besonders die Armen. Wenn der Großteil der Finanzen in die Tilgung der Schulden fließe, fehle das Geld an anderer Stelle: Investitionen in Bildung oder die Gesundheitsversorgung blieben dann aus. "Die Folgen sind zum Beispiel wachsende Arbeitslosigkeit und soziale Spannungen, steigende Migration und Instabilität ganzer Gesellschaften", warnte Schilder.

"Die Schuldenkrise ist da."

Kaiser kann sich neben einem globalen, geordneten Staateninsolvenzverfahren auch vorstellen, dass die Bundesregierung Entschuldungsoptionen für regional oder thematisch begrenzte Ländergruppen unterstützt. So könne Überschuldung gezielt dort überwunden werden, wo sie besonders bedrohlich sei. Denkbar wären solche Modelle für die Inselstaaten in der Karibik, die besonders stark von Naturkatastrophen und den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind.

Der Report hält fest: "Die Schuldenkrise ist da." Auf rund 6,9 Billionen US-Dollar belaufe sich die Gesamtverschuldung der Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Diese verschuldeten Länder müssen laut Schilder die Chance auf einen Neuanfang haben.

 

Quelle:
KNA