Wie der Adventskranz in einem Kinderheim erfunden wurde

Originalversion hatte 24 Kerzen

Der allererste Adventskranz bestand aus einem Wagenrad und hatte 24 Kerzen. Er wurde im 19. Jahrhundert in einem Hamburger Kinderheim erfunden - um das Warten aufs Fest erträglicher zu machen.

Autor/in:
Michael Althaus
Traditioneller Adventskranz / © Jozef Kubica (KNA)
Traditioneller Adventskranz / © Jozef Kubica ( KNA )

Ein dicker Kranz aus Tannengrün mit vier Kerzen: So sieht heute der klassische Adventskranz aus. Doch seinen Vorläufer zierten deutlich mehr Lichter. Die Ursprünge des Adventskranzes gehen ins 19. Jahrhundert zurück. Damals betreute Johann Hinrich Wichern (1808-1881) in Hamburg verwaiste und bedürftige Kinder und Jugendliche in einem ehemaligen Bauernhaus.

Das Weihnachtsfest spielte im sogenannten Rauhen Haus eine besondere Rolle. Weil die Kinder immer wieder fragten, wie lange es noch dauere bis zum Fest, kam der evangelische Theologe und Pädagoge 1839 auf eine besondere Idee, die seinen Schützlingen die Wartezeit erträglicher machen sollte. Die Mädchen und Jungen sollten zudem die Vorweihnachtszeit, in der es immer dunkler und kälter wurde, als einen Weg des Lichts empfinden.

Tannengrün kam erst später dazu

So befestigte Wichern für jeden Tag der Adventszeit eine Kerze auf einem hölzernen Wagenrad - dicke weiße für die Sonntage und dazwischen kleine rote für die Werktage. Geschmückt war das Rad mit einem breiten weißen Band und mit Tannenzapfen. An jedem Tag wurde eine neue Kerze entzündet - insgesamt 24 in jenem Jahr. Erst 1860, mehr als 20 Jahre später, wurde der hölzerne Kranz mit Tannengrün geschmückt - ein Zeichen der Hoffnung und des Lebens. Weil die Zeit vom ersten Advent bis einschließlich Heiligabend in jedem Jahr unterschiedlich lang ist, variierte auch die Zahl der Kerzen - zwischen 22 und 28.

Der Brauch aus Hamburg setzte sich langsam in ganz Deutschland durch, gefördert auch von der naturbegeisterten Jugend- und Kunsterzieherbewegung Anfang des 20. Jahrhunderts. Im Ersten Weltkrieg hängten viele evangelische Schwestern den Adventskranz in Lazaretten auf.

Erster Adventskranz in einer katholischen Kirche in Köln 1925

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hielt der Adventskranz Einzug in die bürgerlichen Wohnstuben. Dazu musste er kleiner werden. Man verzichtete deshalb auf die Werktagskerzen - und so waren's nur noch vier. Das ehemals evangelische Symbol wandelte sich langsam auch zu einem überkonfessionellen: 1925 soll in Köln erstmals in einer katholischen Kirche ein Adventskranz gehangen haben.

Die Geschichte des heute hierzulande nicht mehr wegzudenkenden Symbols und Schmuckstücks ist gut dokumentiert. Die These, dass der Adventskranz auf germanische Bräuche zurückgehe, ist eine Dichtung der deutschen Nationalbewegung.

Drei violette und eine rosa Kerze

Heute gehört der Adventskranz im deutschsprachigen Raum in fast allen Kirchen und Wohnungen zum vorweihnachtlichen Schmuck. In anderen Ländern ist er wenig verbreitet. In katholischen Gotteshäusern ist es zum Teil üblich, den Kranz mit drei violetten und einer rosa Kerze auszustatten. Das Violett ist die liturgische Farbe des Advents, der traditionell als Bußzeit zur Vorbereitung auf das Weihnachtsfest gilt. Die rosa Kerze wird am dritten Adventssonntag entzündet, der den lateinischen Namen "Gaudete", also "Freut euch!", trägt.

Im Hamburger Rauhen Haus, das bis heute besteht und unter anderem Träger einer nach Wichern benannten Schule ist, hält man mit Stolz das Gedenken an den historischen Adventskranz aufrecht. In diesem Jahr stecken 27 Kerzen auf dem Kranz, um den sich die Schüler täglich zu einer Andacht versammeln. Die Originalversion des Adventskranzes ist übrigens nicht nur im Rauhen Haus zu finden: Seit 2008 steht jedes Jahr ein Exemplar im Deutschen Bundestag, seit 2012 auch im Hamburger Rathaus.


Quelle:
KNA