Ornaghi und Riccardi in Italiens Übergangsregierung

Kabinett mit prominenten Katholiken

Italien hat eine neue Regierung. Der frühere EU-Kommissar Mario Monti steht an der Spitze einer Notregierung aus Fachleuten. Mit dem Sant´Egidio-Gründer Riccardi und dem Hochschulrektor Ornaghi hat Monti zwei prominente Katholiken in sein Kabinett berufen. Aus dem Vatikan kommt erstes Lob für die Übergangsregierung.

Autor/in:
Johannes Schidelko
 (DR)

Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone bezeichnet das Kabinett als "gute Mannschaft" und wünscht "gute Arbeit, denn es gibt viel zu tun". Das sagte der zweite Mann im Vatikan in italienischen Tageszeitungen vom Donnerstag. Auch in der Italienischen BIschofskonferenz stieß der hohe Anteil an profilierten Katholiken in der neuen Regierung auf positiven Widerhall.



Lorenzo Ornaghi, Rektor der Katholischen Universität in Mailand, wird Minister für Kulturgüter. Riccardi, Gründer der katholischen Gemeinschaft Sant"Egidio und Professor für Neuere Geschichte und Religionsgeschichte an der Universität "Roma Tre" soll sich als Minister ohne Geschäftsbereich um Fragen internationaler Zusammenarbeit und um die Integration der Migranten kümmern - beides Fragen, in denen sich Sant"Egidio seit Jahrzehnten bewährt hat. Monti, der selbst ein Jesuitengymnasium besuchte, besetzte darüber hinaus weitere Ministerposten mit Persönlichkeiten wie Corrado Passera, die in der Kirche Sympathien genießen.



Im Vorfeld war viel über die Rolle der "Katholiken" spekuliert worden

Bei den Sondierungen für die Übergangsregierung aus Fachleuten war viel über die mögliche Rolle der "Katholiken" spekuliert worden. Zwar sind über 90 Prozent der Italiener katholisch, und so gehört auch die Mehrheit der Politiker stets der römischen Kirche an. Aber wenn von Katholiken in der Politik die Rede ist, sind damit die Gläubigen mit enger Kirchenbindung gemeint, die beim Lebensschutz, in der Familienförderung und in der Schulpolitik christliche Werte verwirklicht sehen wollen - und die in den Jahrzehnten vor der Ära Berlusconi mehrheitlich zu den Christdemokraten tendierten.



Neben Ornaghi und Riccardi - der zunächst selbst als Kulturminister gehandelt wurde - galt auch der frühere Verfassungsrichter Cesare Mirabelli als Kandidat für einen Ministerposten - denjenigen im Justizressort. Mirabelli, als "Generalrat" der ranghöchste Laie der vatikanischen Staatsverwaltung, wäre eine noch spektakulärere Nominierung gewesen als Riccardi, der seinerseits auch ein sehr enges Verhältnis zu vatikanischen Spitzenleuten pflegt. Weiter wurde Carlo Costalli, Präsident der christlichen Arbeiterbewegung, für das Sozialministerium genannt.



Kirche hatte sich mit Kommentaren zur Regierungsbildung zurückgehalten

Die Italienische Bischofskonferenz hatte sich wie der Vatikan mit Kommentaren zum Rücktritt Berlusconis und zur neuen Regierungsbildung zurückgehalten. Kirchliche Medien beschränkten sich auf allgemeine Hinweise, etwa dass das Land "nicht nur eine technokratische, sondern eine gute Regierung" brauche. Und sie richteten das Interesse auf Sachbereiche wie Gesundheit, Erziehung, Jugend, Schulwesen und soziale Sicherheit. Als etwa der Mediziner Umberto Veronesi als Kandidat für das Gesundheitsministerium genannt wurde, kam aus Katholikenkreisen Kritik an seiner sehr liberalen Haltung etwa in der Stammzellforschung.



Die besondere Aufmerksamkeit der Politik für die Katholiken hängt mit Überlegungen zur künftigen Parteienlandschaft Italiens zusammen. Möglich ist, dass Berlusconis Bewegung "Volk der Freiheit" nach dem Machtverlust auseinanderbricht. Damit verbinden sich Spekulationen, ob möglicherweise die einst staatstragende katholische "Democrazia Cristiana" (DC) in Teilen wieder unter neuem Namen zusammengeführt werden könnte.



Neue katholische Partei?

Die Seilschaften der noch bis 1990 dominierenden Partei bestehen seit zwei Jahrzehnten nur noch in wechselnden Splittergruppen weiter. Zwar gilt eine Neugründung der alten DC als ausgeschlossen. Aber viele Augen richten sich auf den "Terzo Polo", den dritten Pol zwischen der bisherigen Mitte-Rechts-Regierung und der Mitte-Links-Opposition. Im Terzo Polo hat mit Pierferdinando Casini ein früherer Christdemokrat das Sagen.



Der Finanzexperte Monti - Katholik und Kirchgänger, aber ohne besondere Bindung an eine bestimmte kirchliche Gruppierung - steht unterdessen vor einer schier unlösbaren Aufgabe. Im Kampf gegen die Finanzkrise wird er den Bürgern große Opfer abverlangen müssen.

Dabei ist er auf eine parteiübergreifende Unterstützung angewiesen.



Wie weit ihn das "Volk der Freiheit" agieren lässt, nachdem Berlusconi eine Rückkehr in die Politik nicht ausschließt, ist offen. Und ebenso fraglich ist die Hilfe von Seiten der Linken, die bei den nächsten Wahlen selbst an die Macht kommen will. So titelt die der Berlusconi-Familie gehörende Tageszeitung "Il Giornale" am Mittwoch auch schon: "Start der neuen Regierung - sie wird nicht lange dauern".