In der Pfalz ist manches anders. Die Menschen und ihr Leben sind gemütlicher, und die großen Kirchen handeln so ökumenisch wie sonst kaum irgendwo in der Republik. Eine weitere, in dieser Form bundesweit einmalige Speyrer Spezialität ist die Ortskirchensteuer.
Auch sie wird in konfessioneller Gemeinsamkeit parallel von Katholiken und Protestanten erhoben. In aller Regel geht es im Jahr um im Vergleich zur Kirchensteuer geringste Summen - den Gegenwert für eine Schachtel Zigaretten. Und trotzdem regt sich mancher auf.
Zusätzliche Abgabe
Ortskirchensteuer muss zusätzlich gezahlt werden. Während sich die Kirchensteuer am Einkommen bemisst und von den Finanzämtern berechnet wird, ist für die Ortskirchensteuer der Besitz von Grund und Boden maßgebend. Sie wird von Kommunen und Kreisen im Grundsteuerbescheid ausgewiesen und von ihnen für die Kirchen eingesammelt.
Aber nicht immer und zwangsläufig. Und das ist das Problem. Denn zum Thema wird die Ortskirchensteuer jetzt, weil jede kirchliche Gemeinde selbstständig darüber entscheidet, ob der Zusatzbetrag erhoben wird oder nicht. Und diese Fragestellung steht im Bistum Speyer fast flächendeckend neu an. Nach einer Strukturreform wurden aus 346 Gemeinden 70 neue katholische Gebietskörperschaften. 52 davon haben die Ortskirchensteuer. Das sind knapp drei Viertel.
Bei den Protestanten - hier spielt das Thema akut keine Rolle, es gab keine Fusionen - machen rund zwei Drittel mit. Weil bei den Zusammenschlüssen viele Gebiete entstanden, in denen das Thema früher von Dorf zu Dorf unterschiedlich geregelt war, heute aber einheitlich gehandhabt werden muss, gab es Unmut. War für manchen die Ortskirchensteuer jahrzehntelange Praxis, sehen sich andere nun erstmals damit konfrontiert.
Von Zustimmung bis Drohung
"Die Reaktionen reichen von Zustimmung bis hin zur heftigen Drohung", sagt der zuständige Domkapitular Peter Schappert. Vereinzelt treten sogar Menschen aus der Kirche aus. Obwohl Katholiken und Protestanten gleichermaßen damit werben, dass die Erträge ausschließlich für die Finanzierung des kirchliche Lebens vor Ort ausgegeben werden.
Aus Sicht eines Grundstücksbesitzers geht es meist um Kleingeld. Der Einheitswert eines Grundstücks wird mit der Grundsteuermesszahl multipliziert, die davon abhängt, ob das Land bebaut oder als Wiese oder Weinberg genutzt wird. Ein Zehntel des Grundsteuermessbetrages ergibt die Ortskirchensteuer. Nach Beispielrechnungen kommen so für ein Einfamilienhaus oder eine Eigentumswohnung Summen von sechs oder sieben Euro jährlich zusammen.
Zahlen muss, wer erstens Kirchenmitglied ist, zweitens Land besitzt und drittens den Hauptwohnsitz in der Kommune hat, wo das Grundstück liegt. Ist eine Bedingung nicht erfüllt, entfällt die Ortskirchensteuer. Doch es ist in heutiger Zeit mehr die Bauch- als die Verstandesebene, die Grummeln auslösen kann. Deshalb sieht das Bistum jetzt öffentliche Kommunikation als wichtigen Schritt an und stellt den Pfarrgemeinden Plakate, Faltblätter und Online-Informationen zur Verfügung.
Eine Pfarrgemeinde kann je nach Zahl ihrer Mitglieder jährliche Zusatzeinnahmen zwischen 10.000 und 30.000 Euro zusammen bekommen.
Entscheidet sich eine Pfarrei gegen die Ortskirchensteuer, kann das weitere Konsequenzen haben: Denn im Fall einer Baumaßnahme bekommen nur Pfarrgemeinden mit Ortskirchensteuer den höheren Zuschusssatz der Diözese.
Gesetze aus den 1950er Jahren
Rechtsgrundlage der Ortskirchensteuer sind rheinland-pfälzische und saarländische Gesetze aus den 1950er Jahren, weil zu den deckungsgleichen Territorien von Bistum und Landeskirche die Pfalz und der Saarpfalz-Kreis gehören. Dass die Sonderzahlung nur dort und nicht etwa im ganzen Saarland oder überall in Rheinland-Pfalz erhoben wird, hat auch historische Gründe.
Erst als Folge der napoleonischen Wirren wurde die Pfalz Anfang des 19. Jahrhunderts von Bayern getrennt, wo traditionell ein vergleichbares "Kirchgeld" erhoben wird. Sowohl das neue errichtete Bistum Speyer als auch die heutige evangelische Landeskirche blieben mit der Wittelsbacher Monarchie verbunden - das geht so weit, dass noch heute der Bischof von Speyer der Bayerischen Bischofskonferenz angehört.
Aufgrund der geringen Höhe verzichten die bayerischen Bistümer mittlerweile darauf, Kirchgeld einzutreiben. Sie begnügen sich damit, die Kirchenmitglieder zu bitten, ihre Pflicht zu erfüllen.
Doch sieht im Bistum Speyer ebenso wie in der Landeskirche der Pfalz die finanzielle Gesamtsituation nicht so rosig aus wie in manchen Regionen Bayerns. Außer Ludwigshafen und Kaiserslautern gibt es keine Großstädte, die Wirtschaftskraft ist gering. Auch das eine pfälzische Besonderheit.