KNA: Bischof Dominicus, in einem ihrer ersten Interviews haben Sie gesagt, Sie wollten keine Kopie Ihres Vorgängers Franz-Josef Bode sein. Der wollte vor seinem Rücktritt noch Reformanliegen des Synodalen Wegs umsetzen: die Beauftragung von Laien zur Taufspendung sowie Segensfeiern für Paare, die nicht kirchlich heiraten wollen oder dürfen. Behalten Sie das bei, was machen Sie anders?
Bischof Dominicus Meier OSB (Bischof von Osnabrück): Die Taufspendung durch Laien ist von Bischof Bode bewusst als Experiment auf drei Jahre eingeführt worden. Die Teilnehmer eines zweiten Kurses sind vor kurzem ausgesandt worden, so dass wir jetzt etwa 30 Personen beauftragt haben. Und die werden in den nächsten drei Jahren ihre Erfahrungen machen. Das Experiment soll erst mal so weitergehen.
Es gibt noch zwei andere Diözesen, Essen und Rottenburg-Stuttgart, die das auch haben. Einzelne Beauftragte haben gesagt: "Ich dachte, ich würde viel mehr angefragt." Dem ist anscheinend nicht so. Die Geburtenzahlen gehen zurück, damit auch die Taufzahlen. Ich muss auch meine Priester und Diakone hören. Eine Kernfrage ist die Begründung für die Beauftragung von Laien als Taufspender: Was ist eine Notlage? Muss ich die je nach Region und Sachlage anders definieren?
KNA: In der kirchlichen Reformdiskussion ist die Mitsprache von Laien ein großes Thema. Nun gibt es schon viele Gremien. Käme ein neues Gremium wie ein synodaler Rat im Bistum "on top"? Oder sagen Sie eher: Wir schauen, ob wir all die bisherigen Gremien brauchen, diese straffen zu einem oder zwei, aber mit mehr Kompetenz?
Meier: Sie formulieren genau die Frage. Ein "On Top" werden viele nicht mehr mitmachen. Wir schaffen es schon jetzt häufig nicht, genügend Kandidaten für Kirchenvorstand und Pfarrgemeinderat zu finden. Beim Synodalen Ausschuss, der jetzt im Advent noch einmal tagt, wollen wir genauer hinschauen. Wir haben genug Beratungsgremien. Die sind aber entstanden unter anderen Bedingungen.
Damals wollte man unterscheiden zwischen Finanzen und Pastoral. Ich glaube, heute wären viele dankbar, wenn sie das Modell hätten, das im Kirchenrecht steht. Da gibt es diese Aufteilung nicht, das ist eine deutsche Sonderlösung. Stattdessen einen Gemeinderat, der beide Funktionen hat. Da könnte man schon anders agieren.
KNA: Dessen Mitglieder auch mehr entscheiden?
Meier: Es gibt vieles, bei dem jetzt schon mit beschlossen wird. Der Diözesan-Vermögensverwaltungsrat etwa muss bei jeder Investition ab einer bestimmten Höhe zustimmen, sonst wird sie nicht getätigt. Es ist wichtig, in solchen Entscheidungsgremien kompetente Frauen und Männer zu haben, die ihre Fachexpertise einbringen.
Die große Frage zum Schluss lautet: Kann ein Bischof überstimmt werden oder nicht? Wenn ein Bischof schlau ist, meine ich, merkt er in der Diskussion, wohin es geht. Und wird bestimmte Dinge vielleicht modifizieren oder noch besser erklären, im Zweifelsfall auch erst mal einen Antrag zurückziehen. So kenne ich das aus meiner Zeit als Abt.
KNA: Sie wollen in dem Punkt Dinge also ändern?
Meier: Ich nehme erst einmal alle Gremien wahr, merke aber auch, dass ich bestimmte Leute mehrfach in der Woche zum selben Thema treffe. Ist das effektiv? Ist die jetzige Struktur für die Kirche und auch ihre Verwaltung und ihre Wirksamkeit heute sinnvoll? Wir haben im Januar eine Bistumsklausur, wo wir uns diese Struktur anschauen.
KNA: Wie ist aktuell das Verhältnis zwischen katholischer Kirche in Deutschland und römischer Kurie?
Meier: Es hat sich gezeigt, dass nach dem Ad-limina-Besuch im November 2022 Rom reagiert hat, und zwar nicht nur mit: "Das geht nicht", sondern jetzt zu Gesprächen einlädt. Die laufen nun anders, weil man mehr voneinander weiß.
KNA: Es gibt Bischöfe, die sagen: Bei aller Dringlichkeit, Missbrauch aufzuarbeiten und Prävention zu verbessern, ist es unangemessen, an dem Thema derartig umfassende Reformanliegen wie Macht und Klerikalismus, Rolle von Frauen in der Kirche, katholische Sexuallehre, Rechenschaftspflicht von Bischöfen daran aufzuhängen. Teilen Sie diese Sicht?
Meier: Die Themen waren schon vorher da; sie sind nur durch die Missbrauchskrise vielleicht pointiert zusammengefasst worden. Schon bei der Würzburger Synode in den 1970er-Jahren gab es das Thema: "Wie kann Verwaltung transparenter werden?" Daraufhin hat man schon damals eine Ordnung für eine Verwaltungsgerichtsbarkeit entwickelt.
Und wir haben bei der Synode in Rom gemerkt, dass genau diese Themen weltweit aufkommen, aber mit der jeweiligen Notation. Es ist eben ein Unterschied, ob wir bei uns über Homosexualität reden oder in Ländern, wo das mit Todesstrafe geahndet ist. Es ist einiges in Bewegung gekommen und wird weitergehen.
KNA: Für eine kirchliche Verwaltungsgerichtsbarkeit, so hieß es, gebe es einen Entwurf aus Deutschland, der aber in Rom nicht bearbeitet werde. Von dort war zu hören, der Entwurf sei längst bei den Bischöfen. In Deutschland. Wie ist denn nun der Stand?
Meier: Bei der Verwaltungsgerichtsbarkeit gibt es zurzeit von Rom eher eine große Zurückhaltung. Wenn der Papst das weltweit einführt, blockiert dies ganz viele Diözesen, die nicht die Mittel wie europäische Kirchen haben, solche Strukturen aufzubauen. Aber jeder Bischof kann für sich Schiedsstellen errichten, die wir schon im Mitarbeitervertretungsrecht haben.
Ich habe den Eindruck, einige wollten eine Strafgerichtsbarkeit über die Verwaltung setzen, das geht aber nicht. Zu entscheiden wäre nur, ob ein Entscheid rechtskonform ist oder nicht. Außerdem: Wie viele Regresse haben wir tatsächlich? Die Möglichkeit dazu gibt es schon.
KNA: Könnten nicht Bischofskonferenzen oder die Bischöfe in Deutschland und anderen Ländern sagen: "Wir machen das für unseren Bereich"?
Meier: Nein, die Kompetenz haben sie nach jetzigem Kirchenrecht nicht. Aber das ist ja in der Diskussion: Kann der Papst bestimmte Dinge dezentralisieren und sagen: Für den europäischen Rahmen erlaube ich das. Das sind Fragen, aber dazu hört man noch nichts zurzeit.
KNA: Es gibt im Bistum Frauen, die einen Diakonatsausbildungskurs gemacht haben. Sollte es eine Regelung geben, dass die katholische Kirche Diakoninnen zulässt, würden Sie diese weihen?
Meier: Der Papst hat dazu wieder eine Kommission eingesetzt, weil es noch ungeklärte Fragen gibt. Die sind bei der Bischofsynode thematisiert worden. Zurzeit darf ich keine Diakonin weihen, sonst mache ich mich strafbar. Erst brauche ich das Placet des Papstes.
KNA: Aber dann würden Sie?
Meier: Dann muss ich es sogar. Aber ich möchte dieser Diskussion nicht vorgreifen. Es gibt viele Frauen, die gerade in theologischen Fragen, auch in der Seelsorge, ein sehr gutes Gespür für Entwicklungen haben.
KNA: Bei der Aufarbeitung von Missbrauch gibt es inzwischen in Köln, München, Hildesheim Schmerzensgeldforderungen von Betroffenen vor staatlichen Gerichten. Ist Osnabrück damit auch konfrontiert?
Meier: Meines Wissens bisher nicht.
KNA: Für den Fall, dass Sie eine solche Klage erreicht, würden Sie wie zuletzt Bischof Wilmer in Hildesheim auch auf die Einrede der Verjährung bestehen?
Meier: Das würde ich vom Einzelfall abhängig machen. Zudem ist zu bedenken, dass staatliche Gerichte nicht gegen Tote ermitteln können. Anders bei den kirchlichen Missbrauchsverfahren, auch zu Anerkennungsleistungen von erlittenem Leid. Ich werde dem nur gerecht, wenn ich den Einzelfall anschaue.
KNA: Das Ende der Ampelkoalition hat uns in Deutschland einen Wahlkampf zur Advents-, Weihnachts- und Karnevalszeit beschert. Es gibt Stimmen, die wünschen sich, dass sich die Kirchen stärker zu Wort melden. Zu welchen Punkten würden Sie als Bischof von Osnabrück das tun?
Meier: Mit den Wahlprogrammen der einzelnen Parteien kann sich jeder selbst befassen. Unser Ziel ist es, Leute zu motivieren, zur Wahl zu gehen. Eines unserer größten Probleme ist, dass viele gar nicht zur Wahl gegangen sind. Ich bin nicht für eine Einflussnahme, bei der die Kirche sagt: Dies geht und jenes geht nicht.
Es gibt bestimmte Punkte, etwa assistierter Suizid, die anzusprechen sind: Was heißt diese Frage etwa für unsere kirchlichen Einrichtungen? Was heißt das für Mitarbeitende, die damit konfrontiert werden? Und überhaupt den Schutz des Lebens am Anfang und Ende, Sozialpolitik ... Das muss ich aber breiter machen, nicht nur im Wahlkampf.
Das Interview führte Roland Juchem.