Angesichts der tödlichen Attacken auf Mitglieder jüdischer Gemeinden in Paris, Brüssel, Toulouse und Kopenhagen sowie zahlreicher weiterer Übergriffe, stellte das OSZE-Büro für Demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR) am Montag in Berlin einen Leitfaden vor. Darin fordert es eine stärkere Zusammenarbeit mit jüdischen Gemeinden, mehr staatlichen Schutz für jüdische Stätten und eine bessere Opferbetreuung. ODIHR-Direktor Michael Georg Link betonte, dass die Übergriffe zu einer nachhaltigen Verunsicherung in den Gemeinden führten.
Er hoffe, dass die Vorschläge Modellcharakter für den Umgang mit dem Sicherheitsbedürfnis und den Erfahrungen anderer Minderheiten hätten, betonte Link. Gewaltsame antisemitische Übergriffe auf Juden oder Personen, die für Juden gehalten würden, richteten sich immer auch gegen die Werte freier, demokratischer und offener Gesellschaften. Auch Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Die Linke) betonte: "Antisemitismus stellt eine Bedrohung für die Menschenrechte eines jeden Einzelnen dar." Sie verwies auf eine Studie wonach fast zwei Drittel der Opfer antisemitisch motivierter Gewalt physische Übergriffe nicht meldeten. Statistiken reichten deshalb nicht aus, um das Ausmaß antisemitischer Gewalt in Europa zu beurteilen. Nach den Worten des SPD-Bundestagsabgeordneten und Sonderbeauftragten für den deutschen OSZE-Vorsitz 2016, Gernot Erler (SPD), ist es "vorrangige Aufgabe des Staates und der Regierung, die Sicherheit jüdischer Gemeinden zu gewährleisten".
Staat in der Verantwortung
Aus Sicht des Büros ist es wichtig, dass alle OSZE-Staaten Antisemitismus als Bedrohung der Sicherheit und der Stabilität im eigenen Land wahrnehmen. Der Staat müsse daher dafür Sorge tragen, dass Risiken sinnvoll eingeschätzt und Gewaltverbrechen verhindert würden. Hierfür müssten die Sicherheitsbehörden der Länder enger mit den jüdischen Gemeinden zusammenarbeiten, heißt es in dem Leitfaden weiter. Bislang fehle es oft an offiziellen und transparenten Kommunikationswegen.
Wichtig ist aus Sicht der Experten auch, ein "breites gesellschaftliches Bewusstsein für die Problematik des Antisemitismus zu schaffen". Durch Arbeitspartnerschaften zwischen staatlichen Akteuren und Einrichtungen der jüdischen Gemeinden sollte das gegenseitige Vertrauen gestärkt werden, empfiehlt das OSZE-Büro. Hierfür sei auch ein besserer Schutz jüdischer Stätten nötig sowie ein Austausch mit den Gemeinden über Bedrohungen, Vorfälle und Verbrechen. Opfer benötigten eine gute Betreuung von außen. Bei Straftaten müsse jedes antisemitische Vorurteilsmotiv erfasst werden, schreiben die Experten weiter. Um dies zu gewährleisten, müssten die zuständigen Behörden für die Merkmale antisemitischer Hassverbrechen sensibilisiert werden - etwa wann Kritik an Israels Regierung in Antisemitismus umschlage.