Doron Eisenberg und Nir Ivenizki sind wegen der Techno-Szene aus Tel Aviv nach Berlin gezogen. Nun haben die beiden jungen Israelis ein Cafe in Berlin-Neukölln - Pita, Hummus und Schallplatten. Mit der jüdischen Gemeinde habe die beiden wenig zu tun, sie sehen sich vor allem als Israelis. An Berlin und Deutschland schätzen sie die Offenheit, Vielfalt und natürlich die hervorragenden Chancen für Plattenlabels und DJs.
Auch der israelische Unternehmer Yaron Valler ist ein Fan von Berlin, erzählt er am Mittwoch im Cafe von Eisenberg und Ivenziski. Für ihn sei die Stadt nicht die deutsche, sondern die europäische Hauptstadt. Er sei hier wegen der guten unternehmerischen Möglichkeiten und der "tollen Kontakte" mit Menschen aus aller Herren Länder. Religion - kein Thema. Auch aus der Politik halte er sich heraus.
Viele Juden nicht religiös
Schätzungen zufolge leben etwa 200.000 bis 250.000 Juden in Deutschland. Von ihnen sind etwa 100.000 unter dem Dach des Zentralrats der Juden in Deutschland organisiert. Die älteste jüdische Gemeinde in Deutschland ist in Berlin. Dort gibt es mittlerweile acht Synagogen und eine Gebetsstätte.
Die große Mehrheit der Juden in Deutschland sind russischsprachige Juden. Ab 1991 hatten Juden und Menschen mit jüdischen Vorfahren aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion die Möglichkeit, als Kontingentflüchtlinge mit ihren Familien nach Deutschland einzuwandern. Dies führte zu einer starken Verschiebung der Mehrheitsverhältnisse - plötzlich waren die deutschsprachigen Juden in der Minderheit, und zwei Kulturen prallten aufeinander.
Eine neue Gruppe von Juden sind nach Deutschland eingewanderte Israelis. Deren Zahl variiert je nach Schätzung zwischen 11.000 bis zu mehr als 20.000. Eine große Anzahl der Juden in Deutschland ist nach eigenen Angaben nicht religiös.
Offen für andere Religionen
Die Chefredakteurin des hebräischen Magazins "Spitz", Tal Alon, hat mehrfach mitbekommen, dass Israelis versucht hätten, sich untereinander zu organisieren - ohne Erfolg. Sie selbst habe sich vor allem über ihre Kinder verstärkt mit der Frage nach ihrem Jüdischsein und ihren israelischen Wurzeln auseinandergesetzt. So habe sie ihren Sohn zunächst in einen Kindergarten in Kreuzberg geschickt. Das Aufeinandertreffen der Kulturen und der Religionen habe ihr dort sehr gut gefallen. Nun gehe ihr Sohn auf das jüdische Gymnasium. Sie wolle ihm diesen Teil seiner Identität nicht vorenthalten und ihm die Möglichkeit geben, Hebräisch zu lernen.
Ängste sind präsent
Vielfalt, Multikulti: Beim Berliner Rabbiner Daniel Alter klingt das anders. Er berichtet von konkreten Ängsten in der jüdischen Gemeinschaft, das eigene Jüdischsein zu zeigen - gerade in Vierteln mit einem hohen Migrationsanteil wie Berlin-Neukölln und Kreuzberg oder Duisburg-Marxloh. Alter, der gemeinsam mit seiner Tochter 2012 in Berlin auf der Straße angegriffen worden war, trägt nach eigenen Angaben auf der Straße immer eine Mütze über seiner Kippa.
Die Wissenschaftlerin bei den Akademieprogrammen des Jüdischen Museums Berlin, Alina Gromova, hält es indes für wichtig, nicht pauschal von Angst in der jüdischen Community zu sprechen. "Es gibt Sorgen", sagt Gromova. Wichtig sei es aber, diese Sorgen zu differenzieren. So gebe es etwa mit Blick auf sogenannten Antisemitismus unter Muslimen auch antimuslimische und rassistische Vorurteile in der jüdischen Gemeinschaft. "Diese werden unter Juden jedoch kaum thematisiert", sagt Gromova. Sie warnte davor, etwa in Berlin gewisse Bezirke zu "No-Go-Areas" für Juden zu erklären.
Symbole des Glaubens werden versteckt
Der Leiter des Jüdischen Zentrums für Medienkompetenz an der Europäischen Janusz Korczak Akademie, Konstantin Schuchardt, lebt in Berlin-Neukölln. Nein, mit Kippa würde er nicht auf die Straße gehen, sagt er. Und seine Frau verdecke ihren Davidstern, den sie an einer Kette um den Hals trage, in der Öffentlichkeit, erzählt der 27-Jährige. Es reiche eben leider schon der eine Fall, in dem es schiefgehe - auch wenn in 19 von 20 Fällen nichts passiere.
Anna Mertens