OutInChurch-Initiator ermutigt zur Suche von queeren Vorbildern

Angst spüren und trotzdem machen

"Spüre die Angst und mache es trotzdem." Gegen alle Ängste motivierte Jens Ehebrecht-Zumsande Kirchenmitarbeiter zu öffentlichem Outing. Warum hat seine Kampagne "OutInChurch" die Kirche inzwischen verändert?

Plakat von #outinchurch und Misereor "Für eine Kirche ohne Angst" / © Julia Steinbrecht (KNA)
Plakat von #outinchurch und Misereor "Für eine Kirche ohne Angst" / © Julia Steinbrecht ( (Link ist extern)KNA )

Ein Outing als Mitarbeiter der katholischen Kirche braucht laut dem Initiator der Kampagne "OutInChurch" viel Mut. Er habe diesen Mut für sich selbst erst finden müssen, sagte Jens Ehebrecht-Zumsande dem Hamburger "Abendblatt" (Freitag). 

Aber: "Unser Mut hat sich ausgezahlt, indem wir Zehntausende Leute mobilisierten, die mit dem Thema zunächst nichts zu tun hatten", erklärte der Referent für eine "offene Kirche" in der Pfarrei Sankt Ansgar und Supervisor im Erzbistum Hamburg.

Jens Ehebrecht-Zumsande / © Michael Althaus (KNA)

Ehebrecht-Zumsande erinnert sich: "Ich kannte in den 1980er und frühen 1990er Jahren niemanden in meinem Umfeld, der offen homosexuell war. Damals sprach man nicht darüber." Erst langsam sei ihm klar geworden, warum er sich "irgendwie anders" fühlte. Trotz der Erkenntnis, schwul zu sein, wurde er Gemeindereferent in einer katholischen Kirchengemeinde. "Ich fürchtete bei einem Outing allerdings den Jobverlust", erinnert sich der Religionspädagoge.

Schauspieler als Vorbilder

Den Anstoß für eine öffentlichkeitswirksame Kampagne von Kirchenmitarbeitern gab ihm eine Act-Out-Kampagne von Schauspielerinnen und Schauspielern in der "Süddeutschen Zeitung“ 2021. "185 Schauspieler/-innen outen sich im "SZ-Magazin“ als lesbisch, bi, schwul, trans, inter oder queer. Ich war wie elektrisiert“, sagte Ehebrecht-Zumsande. Er sei überzeugt: "Mut braucht Vorbilder.“ Es brauche ein, zwei Mutige, die den Anstoß geben, und weitere, die mitmachen.

Diese Mitstreiter fanden sich schnell. Sie wollten mitmachen, trafen sich zu einer Videokonferenz, aber hatten Angst. "Die Hälfte der 'Kacheln' auf dem Bildschirm waren schwarz und ohne Namen", erinnert sich der Theologe. So sei das Kampagnen-Thema entstanden:

"OutInChurch - Für eine Kirche ohne Angst". Ihm sei schnell klar geworden: "Wir alle müssen mit dieser Angst umgehen. Mein Mut machender Spruch lautete deshalb: Spüre die Angst - und mache es trotzdem!"

Öffentliches Outing durch ARD-Film

Der Film "Wie Gott uns schuf“ wurde am im Januar 2022 in der ARD ausgestrahlt. 125 Katholikinnen und Katholiken haben sich darin geoutet. Ehebrecht-Zumsande hatte seinen Chef, den Hamburger Erzbischof Stefan Heße, vorgewarnt: "Ich sagte ihm, dass nach dem Sendetermin hier bei uns im Erzbistum einiges los sein wird“, berichtet er. Heße habe sich dann auch als erster Bischof unterstützend geäußert - und Gespräche angeboten.

Die Änderung des kirchlichen Arbeitsrechts im November 2022 sieht der "OutInChurch“-Initiator als einen Erfolg der Kampagne an: "Ohne diese Mega-Öffentlichkeit durch "OutInChurch“ und den Film wären die Bischöfe nicht so schnell vorangegangen." Seit der Änderung der Grundordnung haben Beziehungsleben und Intimsphäre von kirchlichen Mitarbeitern bei Einstellungen oder Kündigungen keine rechtliche Bedeutung mehr.

#OutInChurch

Es ist eine große konzertierte Aktion: Auf einer Internetseite und im Rahmen einer Fernsehdokumentation haben sich 125 Menschen in der katholischen Kirche geoutet. Sie alle sind haupt- oder ehrenamtlich in der Kirche tätig und zugleich Teil der queeren Community, wie die Initiative "#OutInChurch - für eine Kirche ohne Angst" mitteilte. Die Initiative fordert unter anderem, das kirchliche Arbeitsrecht so zu ändern, "dass ein Leben entsprechend der eigenen sexuellen Orientierung und der geschlechtlichen Identität" nicht zur Kündigung führe. (KNA, 24.1.2022)

 © Julia Steinbrecht (KNA)