DOMRADIO.DE: Das aktuelle Schreiben ist die Antwort auf Fragen eines brasilianischen Bischofs. Wie beurteilen Sie den Stil des Briefes? Hilft der queeren Menschen in der Kirche bei der Akzeptanz?
Rainer Teuber (Leiter der Museumspädagogik und des Besucherservices im Essener Domschatz sowie Pressesprecher der Initiative #OutInChurch): Ich gehe noch mal einen Schritt zurück. Grundsätzlich begrüßt die Initiative #OutInChurch jede Form der Auseinandersetzung der katholischen Kirche mit queeren Themen. Wir hatten jetzt leider gerade in den vergangenen Jahren auch äußerst restriktive Vorkommnisse. Ein Beispiel ist das Verbot oder die Nichtzulassung von Trans- und queeren Menschen in einem US-Bistum, die dann gar nicht mehr zu den Sakramenten zugelassen wurden.
Insofern ist dieses Schreiben erst mal positiv zu bewerten, weil die Dynamik offensichtlich jetzt auch in der Kirche ankommt, die diese ganze Thematik letztendlich in der Gesellschaft hat.
Bei dem Ton müssen wir mal etwas genauer hingucken, finde ich. Es ist wieder dieser typische Duktus, zunächst mal sind alle willkommen und alle haben die gleichen Rechte grundsätzlich, und dann kommt das große "Ja, aber ..." Und "Ja, aber" heißt in meinen Augen auch immer "Nein".
DOMRADIO.DE: Da fallen einige Formulierungen durchaus ins Auge. Transpersonen und Homosexuelle sind demnach als Paten erlaubt, sofern keine "Gefahr eines öffentlichen Skandals oder einer Verwirrung der Gläubigen" bestehe. Warum soll denn die Gefahr ausgerechnet bei diesen Personen bestehen?
Teuber: Das erschließt sich mir auch nicht. Hier werden zum wiederholten Male auch wieder die Gläubigen als eine unreflektierte oder nicht zur Reflexion fähige Menschengruppe definiert. Denn letztendlich ist da, glaube ich, niemand verwirrt. Ganz bemerkenswert und schwierig finde ich den Zusammenhang zu Skandalisierung.
Der Skandal ist eigentlich nicht ein gleichgeschlechtlich lebender Taufpate oder eine Transperson, sondern der Skandal ist in meinen Augen, wenn daraus ein Skandal wird. Eigentlich müsste doch die Kirche als einheitsstiftende Institution doch den Skandal genau an der anderen Stelle positionieren.
Nicht die transidente Person, die Taufpatin wird, ist der Skandal, sondern die Menschen, die daraus den Skandal machen.
DOMRADIO.DE: Ein Problem für den Vatikan ist offenkundig auch noch der Umstand, wenn Homosexuelle in einer Zivilehe leben. Da ist das mit dem Taufpatenamt so eine Sache. Hier spricht das Schreiben davon, dass die Klugheit der Seelsorger ein weises Abwägen benötige, "um das Sakrament der Taufe und vor allem ihren Empfang zu schützen". Das ist auch schwer zu verstehen. Wie verstehen Sie das?
Teuber: Ich verstehe das gar nicht, muss ich Ihnen ehrlich sagen. Da kann ich einfach mal aus meiner ganz persönlichen Erfahrung sprechen. Mein Mann und ich sind seit knapp 20 Jahren gleich vierfache Paten von Kindern, die, glaube ich, in der Entwicklung keinen Schaden genommen haben. Sie sind mittlerweile erwachsene Menschen und stehen erfolgreich im Leben.
Wir haben nur bei zwei Taufen im Vorfeld überhaupt Gespräche mit dem Pastor über unser Taufpatenamt geführt. Das wirft auch schon ein Bild auf die Auseinandersetzung mit dem eigentlichen Amt im Vorfeld der Taufe. Bei den anderen beiden Taufgesprächen war unsere Ehe überhaupt gar kein Thema, denn hier steht doch eigentlich der Mensch unabhängig seiner sexuellen Orientierung im Vordergrund.
Ich glaube, unsere vier Patenkinder haben durch uns sehr viel lernen können, was Vielfalt, was Akzeptanz von queeren Lebensformen angeht. Insofern begreife ich uns da eher als Bereicherung und nicht als Problematik der ganzen Sache.
DOMRADIO.DE: In dem Schreiben heißt es, die sexuelle Orientierung der Eltern sei nicht ausschlaggebend für die Taufe ihrer Kinder. Sehen Sie das als einen Fortschritt aus Sicht von queeren Menschen in der katholischen Kirche?
Teuber: Da muss man einfach fragen, was das Kind für die sexuelle Orientierung der Eltern kann. Da erschließt sich mir der Zusammenhang überhaupt nicht. Wir sehen an allen Stellen, wie es einfach zwischen der Lehrmeinung in Bezug auf Homosexualität, auf Transidentität und all die Dinge, die damit zusammenhängen, knackt.
Dann kommt es zu so etwas verschwurbelten Formulierungen, die versuchen, da irgendwelche Dinge zusammenzuführen, die aber laut katholischem Lehramt letztendlich doch nicht zusammenpassen. Denn da ist es nun nach wie vor so, dass Menschen, die in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft leben, Sünder sind.
DOMRADIO.DE: Es ist heutzutage nicht mehr selbstverständlich, dass Kinder überhaupt noch getauft werden oder auch, dass Erwachsene sich taufen lassen. Müsste bei der Frage nach dem Taufpatenamt nicht die sexuelle Orientierung eigentlich völlig egal sein, sofern die Taufpatin oder der Taufpate bereit sind, das Kind oder den Erwachsenen ernsthaft und wahrhaftig im Glauben zu begleiten?
Teuber: Ja, da stimme ich doch uneingeschränkt zu. Ich finde, der Passus zur sexuellen Orientierung hat bei der Zulassung zum Taufpatenamt nichts verloren.
Das Interview führte Mathias Peter.