#OutinChurch macht Brief an den Papst öffentlich

"Gott ist ein Fan von Vielfalt"

In einem Brief an Papst Franziskus forderte der Verein "#OutinChurch" letzten Herbst ein Ende der Stigmatisierung queerer Personen. Weil keine Antwort kam, wurde der Brief nun veröffentlicht. Raphaela Soden erklärt die Hintergründe.

Regenbogenfahne in einer Kirche / © 	Robert Kiderle/ (KNA)
Regenbogenfahne in einer Kirche / © Robert Kiderle/ ( KNA )

DOMRADIO.DE: Gerade haben Sie Ihren Brief an den Papst auf der Plattform Feinschwarz.net veröffentlicht, da seit Oktober keine Antwort aus Rom gekommen ist.  Wie enttäuschend ist das für Sie?

Raphaela Soden (Bildungsreferent*in im Erzbischöflichen Seelsorgeamt Freiburg und Gründungsmitglied von "#OutInChurch"): Wir haben drei verschiedene Kanäle genutzt, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass der Brief auch ankommt. Aber ich persönlich hätte mich jetzt eher gewundert, wenn wir eine direkte Antwort bekommen hätten, also hält sich die Enttäuschung in Grenzen.

Initiative #outinchurch / © Julia Steinbrecht (KNA)
Initiative #outinchurch / © Julia Steinbrecht ( KNA )

DOMRADIO.DE: Vielleicht muss ja erst noch etwas Zeit ins Land gehen, bis eine Antwort kommt, man weiß es nicht genau. Sie wollen auf jeden Fall, dass queere Menschen auch in der katholischen Kirche als gleichberechtigte und vollwertige Mitglieder wahrgenommen und behandelt werden. Was erwarten Sie vom Papst? Welche konkreten Schritte müsste er unternehmen, um das zu erreichen?

Soden: Wir fordern ganz klar eine Änderung der entsprechenden Absätze im Katechismus, aber auch eine Revision anderer lehramtlicher Verlautbarungen, in denen Homosexualität, nicht-heterosexuelle Beziehungen, aber auch Trans- und Intergeschlechtlichkeit als defizitär und schöpfungswidrig deklariert werden. Das könnte der Papst natürlich tun.

Raphaela Soden

"Wir sind fest überzeugt, dass Gott ein Fan von Vielfalt ist."

Wir sind fest überzeugt, dass Gott ein Fan von Vielfalt ist. Wir alle sind aus Gottes Kreativität geboren, inklusive unserer unterschiedlichen Geschlechtsidentitäten und sexuellen Orientierungen. Da müsste dringend was verändert werden.

DOMRADIO.DE: Wie beim Thema Frauenpriestertum wird bei der Gleichstellung queerer Menschen immer gleich die Weltkirchen-Karte gezogen. Nach dem Motto, das kriegen wir in Afrika nie durch. Uganda zum Beispiel steht kurz davor, die Todesstrafe für Homosexualität einzuführen. Wie würden Sie das einordnen?

Soden: Ja, das Argument ist ja sehr beliebt, um Menschenrechtsdiskussionen in der Kirche auszubremsen. Aber das ist ja genau das, um was es geht. Sowohl beim Priestertum unabhängig von Geschlecht als auch bei der Anerkennung von geschlechtlicher und sexueller Vielfalt. Es geht um Menschenrechte und Menschenwürde.

Und selbst wenn es so wäre – was nicht der Fall ist, das haben entsprechende Befragungen auch vor dem weltsynodalen Prozess schon herausgebracht –, dass diese Themen in anderen Teilen der römisch katholischen Welt keine Rolle spielen würden, kann die Kirche dazu ja nicht schweigen, wenn sie sich sonst als Anwältin für Menschenrechte und Menschenwürde geriert, diese in den eigenen Strukturen und Lehren aber mit den Füßen tritt.

Raphaela Soden

"Und gerade in Gesellschaften, in denen homosexuelle Menschen und Transmenschen staatlich verfolgt, mit Gewalt oder sogar dem Tod bedroht werden, kann es nicht sein, dass kirchliche Akteurinnen dies vielleicht sogar noch befördern."

Und gerade in Gesellschaften, in denen homosexuelle Menschen und Transmenschen staatlich verfolgt, mit Gewalt oder sogar dem Tod bedroht werden, kann es nicht sein, dass kirchliche Akteurinnen dies vielleicht sogar noch befördern. Und gerade da wäre es umso wichtiger, wenn wir als Kirche Zeugnis ablegen würden für das Leben, die Würde und die Freiheit von Menschen.

DOMRADIO.DE: Es hat sich ja zuletzt auch einiges getan, zum Beispiel die Änderung des kirchlichen Arbeitsrechts und auch durch manche Beschlüsse des Synodalen Wegs. Die weisen sicher ja auch in ihren Augen in eine richtige Richtung. Warum reicht Ihnen das nicht?

Soden: Es reicht nicht, weil immer noch nicht alle Menschen offen als die Menschen in der Kirche anwesend und selbstverständlicher Teil dieser Kirche sein können, die sie sind. Queere Mitarbeitende haben immer noch Angst. Es gibt immer noch Kolleginnen, die sich nicht trauen, sich zu outen, auch wenn die Grundordnung geändert ist.

Und es ist auch so, dass wir als Mitarbeiterinnen formell jetzt größtenteils nicht mehr mit beruflichen Konsequenzen rechnen müssen, aber das gilt eben auch noch nicht für alle. Zum Beispiel die, die auf das "Nihil obstat" in der Hochschullandschaft angewiesen sind, bei denen ist es noch nicht so.

Raphaela Soden

"Aber als Katholikinnen werden wir noch mit unseren nicht in die heteronormative kirchliche Lehre passenden Leben weiterhin zum Beispiel als Folge der Erbsünde, als schöpfungswidrig, als Sünder gebrandmarkt."

Aber als Katholikinnen werden wir noch mit unseren nicht in die heteronormative kirchliche Lehre passenden Leben weiterhin zum Beispiel als Folge der Erbsünde, als schöpfungswidrig, als Sünder gebrandmarkt. Und das hat natürlich weiterhin auch Auswirkungen auf Menschen, auch auf ihre Psyche.

Von den nicht im Ansatz aufgearbeiteten negativen Konsequenzen, die diese Lehre und das bisher gültige Arbeitsrecht auf das Leben, die Psyche und die beruflichen und persönlichen Biografien von Menschen gehabt haben, ganz zu schweigen – da ist auch noch viel zu tun.

DOMRADIO.DE: Denken Sie, dass Sie eine Reaktion aus Rom beschleunigen können, indem Sie das Schreiben jetzt publik machen?

Soden: Unser Anliegen war hauptsächlich, dass der Brief einer größeren Öffentlichkeit zugänglich wird und die Diskussion weiter befeuert wird. Ob das jetzt auch zu einer Antwort aus Rom führt, können wir nicht sagen.

Das Interview führte Dagmar Peters.

#OutInChurch

Es ist eine große konzertierte Aktion: Auf einer Internetseite und im Rahmen einer Fernsehdokumentation haben sich 125 Menschen in der katholischen Kirche geoutet. Sie alle sind haupt- oder ehrenamtlich in der Kirche tätig und zugleich Teil der queeren Community, wie die Initiative "#OutInChurch - für eine Kirche ohne Angst" mitteilte. Die Initiative fordert unter anderem, das kirchliche Arbeitsrecht so zu ändern, "dass ein Leben entsprechend der eigenen sexuellen Orientierung und der geschlechtlichen Identität" nicht zur Kündigung führe. (KNA, 24.1.2022)

 © Julia Steinbrecht (KNA)
© Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
DR