Noch nie in der jüngeren Wirtschaftsgeschichte war der Wohlstand weltweit so ungleich verteilt wie heute. Das ist das Ergebnis einer Studie, die die Entwicklungsorganisation Oxfam vor dem Start des Weltwirtschaftsforums in Davos vorgestellt hat. Laut von Oxfam zusammengestellten Daten besitzen die acht reichsten Menschen der Welt - allesamt Männer - gemeinsam ein ähnlich großes Vermögen wie die gesamte ärmere Hälfte der Menschheit. Das reichste Prozent der Menschheit besitzt demnach seit 2015 mehr als der gesamte Rest.
Zugrunde liegen der Studie Daten aus verschiedenen Quellen, die Oxfam zusammengetragen hat. So führte die Organisation etwa Forbes-Schätzungen zum Vermögen der acht reichsten Männer mit Schätzungen zum weltweiten Vermögen der Bank Credit Suisse zusammen.
Auslöser für viele Konflikte
Jörn Kalinski, Kampagnenleiter von Oxfam Deutschland, kommentiert: "Weltweit fühlen sich immer mehr Menschen abgehängt. Vielerorts stagnieren die Reallöhne, während Manager und Großaktionäre sich jedes Jahr steigende Millionenbeträge genehmigen." Für Bildung und Gesundheitsversorgung fehle in vielen Staaten das Geld, "weil Superreiche und internationale Konzerne sich um ihre Steuerbeiträge drücken. Das beschädigt den sozialen Zusammenhalt, behindert den Kampf gegen Armut und untergräbt den Glauben an die Demokratie." Damit bereite die Ungleichheit den Boden für Rechtspopulisten.
Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Bärbel Kofler, bezeichnete den Bericht als alarmierend. "Eine weitere Verschärfung der Ungleichheit ist Auslöser für zahlreiche Konflikte", sagte die SPD-Politikerin den Tageszeitungen des RedaktionsNetzwerks Deutschland (Montag). Ungleichheit erschwere die Bekämpfung von Armut und untergrabe die politische Stabilität. Es sei ein Skandal, dass "Millionen Menschen hungern, obwohl in der Welt genug produziert wird, um sie zu ernähren", so Kofler. Die Menschenrechtsbeauftragte forderte eine stärkere Fokussierung auf die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen - auch von Deutschland.
Politische Fehlentwicklungen
Die Daten zeigen, dass die Ungleichheit über die Zeit zugenommen hat. Demnach wuchs das globale Einkommen weltweit von 1988 bis 2011 um rund 11,9 Billionen Euro. Die reichsten zehn Prozent profitierten davon am meisten. Auf sie entfiel laut der Daten mehr als 45 Prozent der Steigerung. In Deutschland lag der Zuwachs des reichsten Zehntels demnach bei 34 Prozent.
Der Erhebung "An Economy for the 99 Percent" zufolge besitzt das reichste Prozent der Weltbevölkerung mehr als die Hälfte des weltweiten Vermögens und damit mehr als die restlichen 99 Prozent zusammen; diese wiederum haben demnach nur 0,16 Prozent des weltweiten Vermögens. In Deutschland besitzen laut Oxfam 36 Milliardäre mit insgesamt 297 Milliarden US-Dollar so viel Vermögen wie die ärmere Hälfte der Bevölkerung, das reichste Prozent besitzt mit 3,9 Billionen US-Dollar rund ein Drittel des gesamten Vermögens.
Mindeststeuersatz gefordert
Die Organisation macht für die Ungleichheit politische und unternehmerische Fehlentwicklungen verantwortlich. Sie fordert, dass Staaten stärker kooperieren anstatt gegeneinander in einen Wettbewerb um die niedrigsten Unternehmenssteuern zu treten. Gleichzeitig sollen sie unternehmerisches Handeln fördern, das sich weniger auf Kapitalgeber und stärker auf Arbeiter und Umweltkosten konzentriert.
Die Entwicklungshilfeorganisation will zudem einen weltweiten Mindeststeuersatz für Konzerne, die Schließung von Steueroasen, Transparenz bei Gewinnen und Steuerzahlungen internationaler Konzerne sowie Steuern auf sehr hohe Einkommen und Vermögen. Konzerne sollten Gewinne dort versteuern, wo sie diese erwirtschaften und den Steuersatz veröffentlichen. Zudem sei eine Anpassung der Steuersätze auf besonders hohe Vermögen nötig.
Noch schlimmer als angenommen
Vor einem Jahr hatte Oxfam berechnet, dass das Vermögen der 62 reichsten Menschen dem der ärmeren Hälfte der Weltbevölkerung entspreche. Neue Vermögensdaten aus China und Indien zeigten nun, dass die Ärmeren deutlich weniger Vermögen besäßen als bislang angenommen.
Kritikpunkt ist zudem das Bruttoinlandsprodukt als Indikator für Wohlstand. Unbezahlte Arbeit innerhalb von Familien trage zum Wohlstand einer Gesellschaft bei, werde vom BIP aber nicht gemessen.