Paderborns Erzbischof spürt Angst vor Trump-Regierung im Heiligen Land

"Es bleibt die Unsicherheit"

Einerseits sind die Menschen in Israel erleichtert, dass die ersten Hamas-Geiseln wieder zu Hause sind, sagt Paderborns Erzbischof Udo Bentz. Doch die ersten Entscheidungen des US-Präsidenten Donald Trump sorgten für Ängste.

Autor/in:
Johannes Schröer
Udo Bentz unterwegs beim 24. Internationalen Bischofstreffen im Heiligen Land / © Jörn Neumann (DBK)
Udo Bentz unterwegs beim 24. Internationalen Bischofstreffen im Heiligen Land / © Jörn Neumann ( (Link ist extern)DBK )

DOMRADIO.DE: In dieser Woche sind Bischöfe aus Europa und weiteren Regionen in Israel unterwegs. Traditionell findet dieser Besuch der Christen im Heiligen Land durch die internationalen Bischöfe Anfang des Jahres statt. Wie erleben Sie das Land jetzt? 

Erzbischof Udo Bentz (Vorsitzender der Arbeitsgruppe Naher und Mittlerer Osten der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof von Paderborn): Es ist Erleichterung zu spüren, dass die ersten Schritte der Umsetzung des Waffenruheabkommens und des Geisel-Deals gelungen sind. Wir spüren ganz viel Hoffnung, die da hineingesetzt wird. Gleichzeitig muss man ehrlicherweise sagen, dass es am folgenden Tag mit dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump und seiner Administration auch wieder in Frage gestellt worden ist. 

Udo Bentz

"Ich spürte hier sofort wieder die Angst und die Unsicherheit, wie sich die Lage mit der  neuen US-Administration entwickelt."

Eine seiner ersten symbolträchtigen Entscheidungen war es, die Sanktionen gegen die extremistischen Siedler aufzuheben. Ich spürte hier sofort wieder die Angst und die Unsicherheit, wie sich die Lage mit der neuen US-Administration entwickelt. 

Doch es gibt Hoffnung. Jeder kleine Schritt, der gegangen werden kann, wird hier als ein Fortschritt wahrgenommen. Gleichzeitig bleiben die Unsicherheit und die Angst.

Erzbischof Bentz mit dem Deutschen Botschafter Steffen Seibert / © Jörn Neumann (DBK)
Erzbischof Bentz mit dem Deutschen Botschafter Steffen Seibert / © Jörn Neumann ( (Link ist extern)DBK )

DOMRADIO.DE: Was muss nun in Zukunft passieren?

Bentz: Tatsächlich sind es ganz kleine Schritte. Wird es gelingen, dass die nächsten Vereinbarungen, nämlich die Freilassung weiterer Geiseln am kommenden Samstag, umgesetzt werden? Werden sich beide Parteien wirklich an diese Vereinbarungen halten? Das ist es, was zum Beispiel im Gespräch mit verschiedenen Botschaftern deutlich geworden ist. Man muss die große Perspektive im Blick halten. Man kann aber nur weiter gehen, wenn man Schritt für Schritt geht und in diese Realisierung alle Kraft setzt. 

Wir haben für die politische Zukunft viele Aspekte diskutiert und es ist wiederholt deutlich geworden, dass die Zweistaatenlösung die einzig mögliche Lösung ist. Aber sie ist auch diejenige, die derzeit nahezu unmöglich erscheint. Jemand hat das so formuliert: "Ich muss das große Ziel im Auge behalten und möglichst kleine, realisierbare Schritte gehen". 

Vielleicht ist das tatsächlich der Weg. Jemand anderes hat gesagt: "Wo immer jemand das gegenseitige Existenzrecht abspricht und infrage stellt, gibt es Rückschläge und wird ein Weg des Friedens unmöglich". Von daher sind alle Seiten aufgefordert, möglichst konkrete, kleine Schritte zu gehen, weil alle Seiten extrem unter diesem Krieg leiden.

Udo Bentz

"Die Zweistaatenlösung ist die einzig mögliche Lösung. Aber sie ist auch diejenige, die derzeit nahezu unmöglich erscheint."

DOMRADIO.DE: Es ist bereits das 24. Internationale Bischofstreffen im Heiligen Land. Was kann so ein Treffen bewirken? 

Bentz: Wir zeigen, dass wir da sind, wir zeigen Solidarität, wir sind offen und wollen zuhören und wahrnehmen. Es geht gar nicht darum, dass wir hier etwas zeigen wollen. Vielmehr wollen wir umgekehrt das, was wir hier erleben, mit nach Hause in unsere Heimat nehmen, um davon zu erzählen, um ein differenziertes Bild dieser sehr komplexen Lage zeichnen zu können. 

Deswegen war für uns zum Beispiel in diesem Jahr der Fokus auf das Westjordanland, auf die Westbank, so entscheidend. Was geschieht im Schatten der schrecklichen Katastrophe von Gaza? In unserer Medienlandschaft wird davon weniger berichtet.

Die Delegation der Bischöfe besuchte die Gemeinde der Heiligen Familie in Ramallah / © Jörn Neumann (Deutsche Bibelgesellschaft)

DOMRADIO.DE: Sie haben sich in den vergangenen Tagen schon mit vielen Christen im Heiligen Land getroffen. Wie haben Sie diese Treffen erlebt? 

Bentz: Es gibt immer wieder die gleiche Grundstimmung. Es herrscht einerseits Erleichterung, aber andererseits auch die Sorge, wie die riesigen Herausforderungen bewältigt werden können. Sie brauchen die Unterstützung vieler, weil so vieles in Frage steht. 

Ein Beispiel dazu: Mehr als 100.000 Leute haben im Westjordanland seit dem Angriff der Hamas ihre Arbeitserlaubnis in Israel verloren. Wovon leben diese Familien? Hier ist die Caritas Jerusalem ganz aktiv und unterstützt. Es braucht aber auch die internationale Unterstützung, um das leisten zu können. 

Besuch der Delegation beim Caritas Jerusalem Medical Centre in Taybeh / © Jörn Neumann (DBK)
Besuch der Delegation beim Caritas Jerusalem Medical Centre in Taybeh / © Jörn Neumann ( (Link ist extern)DBK )

Ein anderes Beispiel: Wir waren am Dienstag im Westjordanland unterwegs und mussten stündlich unser Programm anpassen, weil nicht klar war, welche Straßen gesperrt sind. Es wurden zusätzliche Kontrollpunkte errichtet. Das, was wir an diesem Tag erlebt haben, ist für die Menschen im Westjordanland der Alltag. Daran spürt man, dass das extreme Einschränkungen mit sich bringt. Auch die Versorgung mit Lebensmitteln, mit Wasser, mit medizinischen Geräten oder auch mit Medikamenten ist aufgrund dieser Gesamtsituation nicht sichergestellt. 

Udo Bentz

"Hier ist Caritas Jerusalem ganz aktiv und unterstützt, braucht aber auch die internationale Unterstützung, um das leisten zu können."

DOMRADIO.DE: Welche Rolle spielen die Christen im Heiligen Land? 

Bentz: Christen gehören ebenso ins Heilige Land, wie jüdische Bürgerinnen und Bürger und muslimische Bürgerinnen und Bürger. Das ist ja einer der Grundkonflikte, dass man sich gegenseitig an den extremen Rändern das Existenzrecht abspricht. Christen leben aber auf allen Seiten der Konfliktparteien. 

Es gibt Christen als israelische Bürger, die sogar ihren Dienst im Militär leisten. Es gibt Christen in der Westbank, die von den Folgen des Gazakrieges extrem getroffen sind. Es gibt Christen in Gaza, die die harten Konsequenzen erleben müssen und deren Existenz vernichtet ist. Es gibt Christen, die selbst Angehörige als Geiseln betrauern müssen. Christen sind also auf allen Seiten dieses Konfliktes und haben von daher eine besondere Rolle. Sie können vermitteln, sie können Brücken bauen. 

Diese Botschaft des Glaubens ist eine Botschaft des Friedens. Der Patriarch von Jerusalem, Kardinal Pizzaballa, betont immer wieder: Unsere Aufgabe ist es nicht, politische Lösungen zu erarbeiten, sondern Präsenz zu zeigen, ins Gespräch zu gehen, zum Dialog zu ermutigen. Wir stehen an der Seite der Menschen und stehen dafür ein, dass die Menschenwürde geachtet ist. Wir leisten denen Hilfe, die alles verloren haben. 

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Erzbischof Bentz spricht über seine Reise ins Heilige Land

DOMRADIO.DE: Ist es unter den derzeitigen Umständen sinnvoll, wenn Christen über Ostern ins Heilige Land pilgern wollen? 

Bentz: Derzeit besteht noch eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes. Daher sind Pilgerreisen nicht zu realisieren, weil der entsprechende Versicherungsschutz nicht greift. Wir hoffen, dass man wieder ins Heilige Land pilgern kann. Das ist besonders für die Christen von Bedeutung, weil sie auch wirtschaftlich, ökonomisch in Bethlehem, in Nazareth an den Heiligen Stätten unter dem Ausbleiben der Pilger leiden. 

Künftig müssen Pilgerreisen ins Heilige Land in allererster Linie Begegnungsreisen mit den Menschen im Heiligen Land sein, sodass wir nicht nur die historischen Stätten des Lebens Jesu aufsuchen, sondern den Menschen begegnen, die in den Fußspuren Jesu hier im Heiligen Land leben. Wir sollten ihnen unsere Solidarität zeigen, von ihnen lernen und mit ihnen zusammen sein und unseren Glauben stärken können.

Das Interview führte Johannes Schröer.

Christen im Nahen Osten

Die Christen und auch andere Minderheiten im Nahen Osten sehen sich zunehmend in Bedrängnis. Neben Entführung, brutalen Ermordung und Vertreibung der Christen steht auch der Versuch islamischer Fundamentalisten, die christliche Kultur in der Region auszulöschen.

Christenverfolgung im Nahen Osten / © Katharina Ebel (KNA)
Quelle:
DR

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