Mit einem dreitägigen Kongress in der römischen Augustiner-Hochschule neben dem Petersplatz hat die Päpstliche Akademie für das Leben vom 12. bis 14. Februar ihr 30-jähriges Jubiläum begangen.
Dabei wurde einmal mehr deutlich, dass sich die 1994 von Papst Johannes Paul II. ins Leben gerufene Institution in einem tiefgreifenden Umbau befindet. Gegründet wurde sie einst als eine Art Thinktank für Papst und Vatikan im Kampf gegen Abtreibung, moderne Fortpflanzungsmedizin und Euthanasie.
Thematisch breiter aufgestellt
Inzwischen hat sich das Wissenschaftlerforum unter seinem Präsidenten Vincenzo Paglia thematisch sehr viel breiter aufgestellt und auch weltanschaulich geöffnet. Dies machten bei einem Pressegespräch anlässlich des Jubiläums nicht zuletzt zwei Frauen deutlich, die Mitglieder der Akademie sind.
Eine von ihnen, die linke italo-amerikanische Ökonomin Mariana Mazzucato, hatte sich im vergangenen Jahr mit einem Retweet zum Thema Abtreibung als Anhängerin des "Pro-Choice"-Lagers in den USA geoutet und war dafür von konservativen Katholiken heftig kritisiert worden.
Als sie nun im vatikanischen Pressesaal erneut von einem Journalisten darauf angesprochen wurde, ging sie zum Gegenangriff über. Sie fragte zurück, warum sich Medienschaffende auf einen einzelnen Retweet zu diesem Thema konzentrierten, anstatt über die globalen Klima- und Ernährungskrisen zu berichten, die das Überleben Hunderttausender Kinder bedrohten.
Freie wissenschaftliche Debatte ohne kirchlich-lehramtliche Scheuklappen
Per Videobotschaft aus den USA wurde bei gleicher Gelegenheit das jüngste Neumitglied der Akademie zugeschaltet, die ungarisch-amerikanische Biochemikerin Katalin Kariko. Sie erhielt 2023 den Medizin-Nobelpreis für ihre bahnbrechenden Forschungen zu Impfstoffen, die auf der m-RNA-Technologie beruhen und arbeitete von 2013 bis 2022 für das deutsche Impfstoff-Unternehmen BioNTech. Für konservative Impf-Skeptiker im katholischen Lager ist Kariko ein rotes Tuch, doch Papst Franziskus berief sie in seine Lebens-Akademie, die 160 Mitglieder aus allen Kontinenten umfasst.
Die Namen Kariko und Mazzucato stehen exemplarisch für den neuen inhaltlichen Kurs der Akademie, die auf Wunsch des Papstes mehr denn je auf eine freie wissenschaftliche Debatte ohne kirchlich-lehramtliche Scheuklappen setzt. Treibende Kraft dabei ist der inzwischen 78-jährige Kurienbischof Paglia, der einst als geistlicher Beirat der Gemeinschaft Sant'Egigio auch international bekannt wurde und von 2012 bis 2016 den Päpstlichen Familienrat leitete.
Als Paglia 2016 die Leitung der Lebens-Akademie übernahm, war das, wie inzwischen klar wurde, der Startschuss für ein umfassendes Umbauprogramm. Wie fast immer ging es Papst Franziskus dabei nicht in erster Linie um Strukturen und Posten, sondern vor allem um eine neue Debattenkultur und neue Inhalte.
2016 vereinigte Papst Franziskus den Familienrat mit anderen Räten in einem Konglomerat, aus dem später das "Dikasterium für ganzheitliche Entwicklung" hervorging. Nun war der damals 71-jährige Paglia frei für seine neue Aufgabe. Die Leitung der Akademie für das Leben hatte zuvor der zum Opus Dei gehörende spanische Mediziner und Bischof Ignacio Carrasco de Paula inne, der aber bereits kurz vor dem 80. Lebensjahr stand.
Verjüngung und Neuausrichtung
Franziskus nutzte die Chance für eine Verjüngung und eine Neuausrichtung, mit der er Paglia federführend beauftragte.
Gleichzeitig erhielt die Akademie ein neues Statut, zudem erstmals einen Kanzler und eine neue Struktur. Im Jahr 2019 folgte mit dem Papst-Schreiben "Humana communitas" auch der explizite Auftrag zu einer inhaltlichen Neuausrichtung.
Damals schrieb der Papst: "Das gemeinsame Dasein in dem einen Menschengeschlecht erfordert einen globalen Ansatz und verlangt von uns allen, uns mit den Fragen auseinanderzusetzen, die sich im Dialog zwischen den verschiedenen Kulturen und Gesellschaften, die in der heutigen Welt immer enger miteinander in Berührung sind, stellen.
Möge die Akademie für das Leben ein mutiger Ort für diese Auseinandersetzung und diesen Dialog im Dienst des Gemeinwohls sein.
Habt keine Angst, Argumente und Sprechweisen zu erarbeiten, die in einem interkulturellen und interreligiösen sowie interdisziplinären Dialog angewandt werden können."
Neben einer neuen Offenheit im Dialog mit Wissenschaftlern anderer Denktraditionen verordnete der Papst der Akademie damals eine thematische Verbreiterung auf neue Themen. Seitdem befasst sich die Akademie nicht nur mit Bioethik, sondern zusätzlich mit Themen wie Informations- und Kommunikationstechnologien, Künstlicher Intelligenz, Nanotechnologie, Robotik, Cyborgs, Manipulationen am menschlichen Gehirn etc.
Das neue Themenspektrum wurde auch in den akademischen Debatten bei der jüngsten Tagung in Rom abgedeckt. Unverändert bleibt jedoch der Grundauftrag der Päpstlichen Akademie für das Leben: Sie soll nicht nur wissenschaftlich abstrakt debattieren, sondern letztlich den Papst in diesen Themen beraten, damit er seine Stimme einbringen kann in aktuelle Debatten.
Herausforderungen durch Künstliche Intelligenz
Eines der aktuell drängendsten Themen, das wurde auch bei dem Kongress in Rom deutlich, sind die Herausforderungen durch Künstliche Intelligenz sowie die unscharf werdende Grenze zwischen Mensch und Maschine. Hier fordert der Vatikan mittlerweile ein verbindliches völkerrechtliche Abkommen, vergleichbar dem Atomwaffensperrvertrag.
Wenn es zu Verhandlungen darüber auf Ebene der Vereinten Nationen kommt und der Heilige Stuhl eigene Formulierungsvorschläge einbringen sollte, ist die geballte Kompetenz der Mitglieder der Päpstlichen Akademie für das Leben gefragt.