Brauchtum kann auch nerven: Wer einst am Palmsonntag als letzter der Familie aufstand, hatte zumindest auf dem Land den ganzen Tag über den Ruf des Palmesels weg. Heute nahezu vergessen, war der Brauch des Palmesel-Spotts einst weit verbreitet. In manchen Gegenden wurden die Langschläfer gar in einem Sack auf dem Schubkarren durchs Dorf gefahren und so öffentlich vorgeführt. Wenn an diesem Sonntag (9. April) wieder Palmesel gekürt werden, dürfte sich der Spott in Grenzen halten. Der Brauch hat sich abgeschwächt.
Einen wirklich religiösen Hintergrund hatte er ohnedies kaum. Der hölzerne Palmesel, der eine Christusfigur tragend in einigen katholischen Dorfkirchen am Sonntag vor Ostern noch immer in der Prozession mitgeführt wird, symbolisiert hingegen den Einzug Christi in Jerusalem. Doch auch die Holzesel haben weitgehend ausgedient. Sie stehen allenfalls noch in Museen, wie etwa im Diözesanmuseum von Eichstätt. Stattdessen werden lebende Exemplare in Prozessionen mitgeführt, zum Beispiel in der Heilig-Geist-Kirche am Münchner Viktualienmarkt, wie das Erzbischöfliche Ordinariat ankündigt.
Palmsonntag ist ein gesellschaftliches Event
Vor allem am Alpenrand ist der Palmsonntag für die Kinder ein wichtiger Tag. Buben und Mädchen haben zusammen mit ihren Eltern schon zuvor Palmkätzchen, Ilex - der Volksmund sagt Waxlaba - und Buchs gesammelt, zu Büschen gebunden und mit bunten Schleifen verziert. Die Buschen werden auf die gespitzten Astgabeln eines langen Stocks gesteckt, mit dem die Kinder am Palmsonntag im Festtagsgewand in feierlicher Prozession in die Dorfkirche ziehen.
Nach dem Gottesdienst bringen sie die geweihten Palmbuschen zu Verwandten und Bekannten. Dort werden sie hinter die Kruzifixe gesteckt und erst im Jahr darauf am Aschermittwoch oder im Osterfeuer verbrannt. Keinesfalls dürfen sie achtlos weggeworfen werden. Palmen wurden im Orient als heilige Bäume verehrt. Sie gelten als Sinnbild des Lebens und des Sieges.
Riesige Palmbäume und Ratschen
Thomas Engl aus dem oberbayerischen Warngau erinnert sich gerne ans Palmaustragen in seiner Kindheit: "Wir waren neidisch, wenn andere Buben mehr Buschen hatten als wir." Manche hatten mehr als 40 Buschen am Palmbaum, "die konnten sie kaum tragen". Inzwischen führt sein zwölfjähriger Sohn Fabian die Familientradition fort.
Eigenartige Geräusche, die einem durch Mark und Bein gehen, sind am Karfreitag rund um viele Dorfkirchen zu hören. Wenn zwischen Gründonnerstagabend und der Osternacht die Kirchenglocken verstummen, schlägt die Stunde der Ratschen. Ministranten erzeugen mit hölzernen Klappern einen dumpf klingenden Lärm. Es gibt sogar Ratschen von respektabler Größe auf fahrbaren Gestellen und Kastenratschen, die mit einer Kurbel betrieben werden und das Glockenläuten ersetzen.
Heilige Gräber, Schweigen und Ostereier
In einigen Kirchen in Südbayern existieren noch überwiegend aus der Barockzeit stammende Heilige Gräber. Es sind mehrere Meter hohe und breite begehbare religiöse Darstellungen des Leidens Christi. Mittelpunkt ist eine Grabnische mit dem Leichnam Jesu. Nach vierjähriger Pause wird in diesem Jahr wieder das Heilige Grab in der Klosterkirche von Höglwörth im Berchtesgadener Land aufgebaut.
Eine Rarität ist die vor 350 Jahren begründete Karfreitagsprozession im unterfränkischen Lohr am Main. Nur Choräle der Blaskapelle und Paukenschläge durchbrechen das Schweigen. Schwarz gekleidete Handwerker tragen 13 lebensgroße Figuren auf Podesten durch den Ort, die den Leidensweg Jesu zeigen. Der aus Lohr stammende katholische Priester Simon Mayer bescheinigt der Prozession gar missionarischen Charakter, weil sie auch außerhalb der Kirche Menschen mit dem Leiden, Sterben und der Auferstehung Christi konfrontiere.
Die Ostereier sind am Karfreitag schon gekocht und werden allenfalls noch bunt gefärbt. Die schönsten kommen neben Salz, einem gebackenen Osterlamm, Schinken und Brot in einen Korb, um beim Gottesdienst zum Osterfest geweiht zu werden. Die Speisenweihe symbolisiert das Ende der Fastenzeit. Es darf wieder üppig gegessen werden. Noch heute pickt manch fromme Bäuerin die Eier in dem Aberglauben an, dass so die Weihe auch wirklich durch die Schale bis zum Dotter gelangt.